05.06.2009

Der Tunnel, der bis Müsen reicht

Die wechselvolle Geschichte des „Kronprinz-Friedrich-Wilhelm-Erbstollns"

Wo früher die Bergmänner eine Abkürzung zur Arbeit einschlugen, greifen heute Friseure zu Kamm und Schere.

uha. Eine der wenigen historischen Stätten in der Kreuztaler Stadtmitte ist der „Kronprinz-Friedrich-Wilhelm-Erbstolln", der Ernsdorf mit den Martinshardter Gruben und dem Bergbaudorf Müsen verband. Der Stollen hatte eine lange Entstehungsgeschichte: 53 Jahre lang, von 1825 bis 1878, wurde an ihm gebaut. Mit einer Gesamtlänge von 5145 Metern hatte er den Hauptzweck, das Wasser aus den tiefgelegenen Schächten und Stollen der Müsener Grube Stahlberg nach Ernsdorf und damit in die Ferndorf abzuführen. Leistungsfähige Pumpanlagen kamen vor Ort erst später zum Einsatz.

Benannt wurde der Stollen nach dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm. Das Siegerland gehörte seit 1815 zu Preußen, und im Jahre 1833 stattete der Prinz dem Müsener Bergbau einen Besuch ab. Über den Ernsdorfer Stollen wurde nach seiner Fertigstellung nur wenig Erz transportiert. Vielmehr diente er den hiesigen Bergleuten als relativ kurzer Weg zu ihrer Arbeitsstätte in Müsen.

Im Zweiten Weltkrieg war der enge Stollen den Kreuztaler Bürgern Unterschlupf vor den Bombenangriffen der Alliierten. Vor dem südlichen Eingang befand sich ein gemauerter so genannter „Splitterschutz". Viele Familien hatten sich Sitzbänkchen eingerichtet. Im Bereich der heutigen Straße „Zum Ameisenberg" bestand ein Treppenaufgang zum Tageslicht, da der Stollen weiter in nördlicher Richtung nicht mehr begehbar war.

Heute erinnert noch eine mit Erz beladene „Loren"-Gruppe an die längst verflossenen Zeiten des hiesigen Erzabbaus. 1931 stellte als letzte im nördlichen Siegerland die bekannte Müsener Grube Stahlberg ihren Abbau ein. Aus dem Ausland konnten seitdem höherwertige Eisenerze preisgünstiger eingeführt werden. Danach diente der Stollen der Gemeinde Kreuztal lange Jahre als Trinkwasserspeicher. In dem über dem Eingang nahe der O-Bus-Wende gelegenen Pumpenhaus - im Volksmund „black box" genannt - präsentiert sich nun seit einigen Jahren ein Friseursalon. So ändern sich die Zeiten...