09.09.2009

Kornritter und Segelflieger

Luftfahrtverein Kyffhäuserjugend Ferndorf weihte die Halle 1932 ein.

Das Gebäude wurde im Laufe der Zeit auf unterschiedliche Weise genutzt.

uha ♦ Einen Blick wie er noch in den 1930er Jahren von oberhalb des Kreuztaler Friedhofs auf die Ferndorfer Flur möglich war, wird die neue Zeit wohl nie wieder ermöglichen. Um die Erntezeit bestimmten Kornritter das landschaftliche Bild: zusammengestellte Roggengarben, versehen mit einem ebenfalls aus Kornhalmen zusammengebundenen „Hut“, der die wertvollen Roggenähren vor Nässe und überhaupt schützen soll.

Es war immer der Stolz der Ernsdorfer und Ferndorfer Kleinbauern, wenn die Ritter selbst und ihre aufgestellten Reihen ein akkurates Bild abgaben. Erntezeit war eine betriebsame und meist mühevolle Zeit, kurz nach dem Aufstellen der Ritter ging es zur Dreschmaschine, wo die Spreu vom Weizen getrennt wurde. Zwischen den Getreidefeldern lagen die Kartoffelflächen und Wiesen und gaben ein lebendiges Landschaftsbild ab. Heute, wo noch Getreide angebaut wird, macht der Mähdrescher kurzen Prozess: Die Arbeit wird im Sitzen getan.

Im Hintergrund zeigen beide Fotos, die diesem Artikel beigefügt sind, die Ferndorfer Fliegerhalle, die auch heute noch die Landschaft unterhalb des Hügels „Rodenull“ prägt. In den Weimarer Jahren zwischen den beiden Weltkriegen kam überall in deutschen Landen die Lust am Fliegen auf. Mit viel Idealismus und mit der Hilfe des Reichsarbeitsdiensts baute der damalige „Luftfahrtverein Kyffhäuserjugend Ferndorf“ und weihte 1932 die im Volksmund noch heute so genannte „Fliegerhalle“ ein. Sie wurde übrigens erbaut aus Holzbalken der gerade abgerissenen Grube „Viktoria“ in Littfeld und aus gebrannten Ziegelsteinen der Kreuztaler Ziegelei Behner.

Der Sand kam von den Schlackenhalden der ehemaligen Kreuztaler Hütte. In der neuen Segelfliegerschule, damals bedeutend weit über die Region hinaus, wurde ein umfangreiches theoretisches und praktisches Ausbildungsprogramm absolviert, nicht ohne vaterländisches Gedankengut. Am Startplatz am Hang der „Rodenull“ wurden die meist selbst gebauten Flugzeuge mit gespannten Gummiseilen in die Luft katapultiert. Doch in den beginnenden Wirren des Krieges kam der Flugbetrieb hier im Jahr 1941 endgültig zum Erliegen. Die interessante Entwicklung dieses Flugbetriebs hat die Ferndorferin Katrin Stein in der Ferndorfer Dorfchronik Bd. 2 zu Papier gebracht.

Wie wurde und wird die Fliegerhalle heute genutzt? Nach dem Krieg stellte die Firma WEFA Suppenwürze für die Schulspeisung her. Danach wurde die Immobilie von der Internationalen Bremsengesellschaft angemietet. Seit 1960 stellt das Unternehmen „Siplast Siegerländer Plastik GmbH“ hier nach umfangreichen Erweiterungsbauten mit 35 Beschäftigten Organisationsmittel für Büro und Präsentation her und vertreibt sie. Das seltsame und doch irgendwie idyllische Landschaftsbild wird nach wie vor von der Fliegerhalle geprägt.

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Anekdote von einem Wettbewerb unter Nachbarn

Im Flurbereich Zimmerseifen, den die beiden Fotos auf dieser Seite zeigen, stoßen die Ferndorfer und Ernsdorfer Wiesen und Felder zusammen. Die Ferndorfer meinten nicht selten, sie seien den Ernsdorfern überlegen. Die Alten erzählen folgende Geschichte:

Ein Ferndorfer und ein Ernsdorfer waren Wiesennachbarn. Da trug es sich zu, dass auf der Wiese des Ernsdorfers das Gras um Fingerlänge höher stand als beim Ferndorfer Nachbarn. Schadenfroh betrachtete der Ernsdorfer das ungläubige Gesicht des Deukers. Der aber fasste sich bald wieder und rief im Brustton der Überzeugung: „Dad well ech dr sä - doa es nix angerschtes möglich, dad de gore Ferndorwer Sorrel ob din Wees jespratzt es!" („Das will ich dir sagen - da ist nichts anderes möglich, als dass die Ferndorfer Jauche auf deine Wiese gespritzt ist!")