22.10.2009

Naht das Ende der Bürgerbusse?

Siegen/Bad Berleburg/Olpe ♦ Große „Nachwuchsprobleme“
 Viele Ehrenamtliche fahren in absehbarer Zeit nicht mehr

Beate Krämer, die einmal in der Woche in Kreuztal den Bürgerbus fährt, 
ist dort eine von 21 Fahrern. Andernorts ist es allerdings um die Zahl derer, 
die ehrenamtlich die Lücken im öffentlichen Personennahverkehr schließen, 
nicht ganz so gut bestellt. Foto: wette

wette ♦ Schätzungsweise 2000 Fahrer sind es alleine in Nordrhein-Westfalen, die sich ehrenamtlich hinter das Steuer eines Kleinbusses setzen, bestehende Lücken im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) schließen und so die Mobilität der Mitbürger verbessern. Doch wie noch lange fahren Bürgerbusse über die Straßen Olpes und Siegen-Wittgensteins? Eine dpa-Meldung, die kürzlich auf dem Redaktionstisch landete, stimmt zumindest nachdenklich.

Denn: Ein Großteil der 86 Bürgerbus-Vereine im einwohnerstärksten Bundesland klagt über erhebliche „Nachwuchsprobleme“. Hinzu kommt, dass das Durchschnittsalter der aktiven Fahrer hierzulande bei über 60 Jahren liegt. Das ist so weit nicht dramatisch; doch es liegt in der Natur des Menschen, dass auch jene Senioren, die nun mal den Großteil der ehrenamtlichen Fahrer ausmachen, als solche in absehbarer Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Und spätestens dann dürfte es schwierig werden, die kostengünstige Ergänzung zum ÖPNV-Angebot in den Städten und Dörfern am Leben zu erhalten.

In Netphen, wo der Bürgerbus im Mai vergangenen Jahres seinen Linienbetrieb aufgenommen hat, stehen zwar 16 Fahrer auf der Liste, „aber es sind eigentlich nur fünf bis sechs aktive Fahrer, die sich richtig reinknien“, sagt der Vorsitzende Hans-Jürgen Platte. Kostendeckend fahre der Bus noch längst nicht – wenngleich das auch andernorts mehrere Jahre gedauert habe. 450 Fahrgäste seien dafür im Monat erforderlich, transportiert werden zurzeit 250. Deshalb steht der vierte Fahrplanwechsel vor der Tür. Und: „Bei nur fünf Fahrern muss jeder zweimal in der Woche ran – wo ist denn da noch die Freiwilligkeit?“, fragt Platte und ergänzt: „Wir sind knapp an der Grenze.“ Das Problem liegt auf der Hand: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass niemand mehr so recht gewillt ist, auf ehrenamtlicher Basis etwas zu machen. Die Frage nach der Gegenleistung ist oft die erste.“ Ein Problem, das auch Achim Walder, der den Bürgerbussen in Kreuztal und Wenden vorsitzt, ausgemacht hat: „Es gibt ja interessierte Leute. Die sagen aber: ,Was ist ehrenamtlich? Ich fahre doch nicht ehrenamtlich!’“

Immerhin 21 Fahrer gibt es in Kreuztal, wo der Bürgerbus seit elf Jahren unterwegs ist und seinerzeit eine Art Vorreiterrolle in der Region übernahm. „Das Durchschnittsalter in Kreuztal liegt ungefähr bei 65 Jahren“, erklärt Walder, der auch auf einige Hausfrauen zählen kann. Fast eine Mill. Kilometer seien die Ehrenamtlichen in Kreuztal bislang gefahren. „Im Durchschnitt sind es 1000 Fahrgäste, die wir im Monat transportieren.“ Schlechter sei die Auslastung in Wenden, wo zehn Fahrer 300 Fahrgäste im Monat transportierten: „In Wenden gibt es zu wenig Fahrer.“ Daher sei der Bürgerbus auch nur an drei Tagen im Einsatz.

Bei 60 Jahren liegt in etwa der Altersdurchschnitt der Fahrer in Burbach. „Wir haben 26 Fahrer auf der Liste, wobei einige nur bedingt einsetzbar sind“, sagt Schriftführerin Elisabeth Fley. Jüngere Männer, die im Berufsleben stünden, könnten sich ebenso wie die Hausfrauen, die sich in Burbach als Fahrerinnen engagieren, nur zu bestimmten Zeiten einbringen.

Und da ist sie – die Kehrseite der Medaille. Auf der einen Seite die Rentner, die gesundheitsbedingt oder durch häufigeren Urlaub nicht immer zur Verfügung stehen, auf der anderen die Berufstätigen, die nur bedingt einsetzbar sind. Da kann sich Hans-Jürgen Schneider vom Bürgerbus in Neunkirchen glücklich schätzen, gleich 25 feste Fahrer auf seiner 34 Namen zählenden Liste zu wissen. In Neunkirchen, wo der Bürgerbus seit Januar 2005 seine Runden dreht, laufen demnächst die Personenbeförderungsscheine von zehn Fahrern aus – gleich sieben von ihnen werden dann für immer aufhören. Und doch sagt Schneider: „Neunkirchen läuft hervorragend, wir haben viele junge Fahrer.“ Drei bis fünf neue Fahrer im Jahr seien ganz allgemein nötig, um das System, das in Neunkirchen gut funktioniere, auch weiterhin erhalten zu können.

Ähnlich Erfreuliches konnte auch Arno Vomhof aus Bad Laasphe berichten: „Wir haben keine Probleme. Wir verfügen über viele Leute, die fit sind.“ Zwar sei auch in Bad Laasphe das Gros der Fahrer über 60, „aber wir bekommen immer wieder neue Fahrer, die etwas jünger sind“.

„Nur“ 13 Fahrer mit einem Durchschnittsalter von 66 Jahren fahren den Hilchenbacher Bürgerbus. Und doch ist der Vorsitzende Helmut Stötzel einigermaßen zufrieden: „Wir sind mit 13 Fahrern gut ausgelastet. Mehr Fahrer bedeuten manchmal auch mehr Probleme.“ Schließlich brauche man einen Kreis, in dem es stimme. Und: „Meine Fahrer kennen jeden aus Hilchenbach, das ist oft wie eine Familienfahrt zum Geburtstagskaffee.“ Der Erfolg des Bürgerbusses, der seit Sommer 2007 die Bürger mitnimmt, liege sicherlich auch am Bekanntheitsgrad der Fahrer. Auch in Erndtebrück sind 13 Fahrer im Einsatz. Hier, so der Vorsitzende Eberhard Bald, liege das Durchschnittsalter ebenfalls bei 66 Jahren. Und auch in Erndtebrück gibt es hin und wieder das Problem des Fahrermangels: „Gerade in der Urlaubszeit, wenn dann mal zwei Fahrer ausfallen, wird es knapp“, sagt Bald.

Sorgen, die man sich zumindest in Siegen, Wilnsdorf, Freudenberg und Bad Berleburg nicht zu machen braucht – dort nämlich gibt es aus verschiedenen Gründen erst gar keine Bürgerbusse.