05.01.2009

Neutönende Welten erobern

Hauschkas Klavier-Hommage an seinen Heimatort FERNDORF

Volker Bertelmann präpariert sein Klavier und tourt in den USA und Japan.

bö– Hauschka! Ein Forschungsreisender im Klangkosmos. Abteilung Klavier. Expedition zu Hämmern und Seilen. Trotz der Tasten alles andere als schwarz-weiße Tonmalerei. Das klingt vielfarbig. Piano-Präparierer packen seit Jahrzehnten ein Sammelsurium aller möglichen und unmöglichen Teile in ihr Instrument. Auf der Suche nach einem anderen – im besten Falle natürlich neuen – Sound.

Hauschka sagt Ihnen so gar nix? Aber jetzt! Das jüngste Album des nach Wien und Böhmen klingenden Komponisten trägt den Titel »Ferndorf«. Hauschka heißt eigentlich Volker Bertelmann, Geburtsort: Ferndorf. Gut 40 Jahre danach lebt Bertelmann in Düsseldorf und taucht am derzeitigen Zwischenstopp seiner musikalischen Lebensreise – wer weiß jetzt schon, wo die noch hingeht – in ganz neue Klavierwelten ein. Wenn das Gespräch mit Volker Bertelmann bei dessen Besuch im elterlichen Haus in Ferndorf eins deutlich macht, dann ist es die immense künstlerische Neugier, die diesen Menschen treibt. Zu ungewöhnlichen Plattenaufnahmen und zu Konzerten bis in die USA und nach Japan. Verglichen wird er gerne mit Vertretern der Minimal Music, und klar fällt der Name John Cage. Aber wer in »Ferndorf« (erschienen beim renommierten Label »Fat Cat«, zu dem beispielsweise auch die Pop-Elfe Björk gehört) reinhört, in Titel wie »Freibad« oder »Heimat« oder »Nadelwald«, der ist von der schlichten Schönheit fernab nerviger Neutönerei überrascht. Und wer die Repeat-Taste des CD-Players drückt, der wird neue Facetten entdecken.

Volker Bertelmann zu seinem vierten Album: »Ich mag Musik, die man hören kann.« Es war ein langer Weg von Nivea, der ein oder andere erinnert sich noch an die Band, in der Bertelmann 1980 als 14-Jähriger die Tasten drückte, bis zu Hauschka, dem so überzeugend nach alter Komponistenfamilie klingenden Pseudonym. Er führte den Ferndorfer über Hip Hop und Crossover zur elektronischen Musik. Rein gerochen hat er aber auch schon ins große Business. Mit der Truppe God’s Favorite Dog unterschreibt er einen Vertrag bei Sony, spielt im Vorprogramm der Fantastischen Vier, steht vor 60000 Menschen auf derselben Bühne wie die Red Hot Chili Peppers. Videos laufen im Musikfernsehen, aber der Hit bleibt aus. Bertelmann (»Bis zum Physikum habe ich Medizin studiert«) macht weiter. Banale Worte, aber wahr: Für ihn zählt nur die Musik. Deshalb ist ihm auch Ferndorf, dem er nun diese wunderschöne Hommage gewidmet hat, zu klein. Wer groß rauskommen will, der darf nicht an der Scholle kleben...

Klavier-Präparation ist, wie gesagt, kein neuer Hut. Auch nicht für Bertelmann/Hauschka. Als Elfjähriger habe er, so erzählt er, alle Hämmer des elterlichen Klaviers mit Reißzwecken bestückt. Warum? Weil ihn der Sound interessierte. Vergessen hatte er diese Episode lange Zeit. Aber manchmal liegt in der Rückbesinnung ein neuer Anfang. Und so rückt er heute zu seinen Improvisations-Konzerten mit Plastikfolie, Filzkeilen und Draht an, um mit Tasten und Hämmern einen neuen Sound zu erzeugen. Spannung ist garantiert! Besonders gerne arbeitet er übrigens mit Bierflaschenkronkorken. Möchte man gerne mal erleben. Vielleicht findet Bertelmanns englischer Booker mal einen Termin in Siegen. Es muss ja nicht immer Manhattan sein...

Wer zu seinen guten Vorsätzen für das neue Jahr das Entdecken neuer Klangwelten zählt, der ist mit Hauschkas Album »Ferndorf« bestens bedient. Wer mehr über Volker Bertelmann und sein Schaffen erfahren will, der sollte einfach mal seinen Namen googlen.