27.05.2009

Schulschließungen nicht ausgeschlossen

Schulleitungen werben für Chancengleichheit aller Kinder in Kreuztal
Vor allem im nördlichen Stadtgebiet wird es eng

Kreuztal. „Die heile Schulwelt können wir vergessen”, meinte Bürgermeister Rudolf Biermann gegen Ende des Abends in der Krombachhalle, an dem vor dicht besetzten Reihen die Perspektiven für die Kreuztaler Grundschulen ausgebreitet worden waren. Ob es damit getan ist, „sich ernsthaft mit der Bildung von Verbundschulen zu befassen”, wie Biermann es anmahnte, erschien jedoch zweifelhaft. Längerfristig, so Jochen Schreiber, Rektor der Grundschule Eichen, „wird es nicht ohne Schulschließung gehen.”

Schreiber, der auch Stadtverordneter der SPD-Fraktion ist, räumte ein, dass bei manchen schulpolitischen Entscheidungen nicht nur sachliche Erwägungen eine Rolle gespielt haben - zum Beispiel, als der Rat noch vor fünf Jahren den Neubau der Krombacher Grundschule beschlossen habe. Die Alternative wäre gewesen, es beim Abbruch des an die Brauerei verkauften Altbaus bewenden zu lassen: „Stellen Sie sich vor, was das für einen Aufstand gegeben hätte.”

Keine Ausnahme für Krombach 
Der Kreuztaler Norden hat das größte Problem: Ab 2010 werden in Krombach jährlich weniger als 18 Erstklässler erwartet. Eine Ausnahmegenehmigung, so Schulamtsdirektor Volker Reichel, „werde ich in keinem Fall erteilen.” Reichel stellte ein weiteres Mal das Zahlengerüst dar, das Lehrerzuweisungen (je eine Lehrkraft für 23,4 Kinder) und sich daraus ergebende Klassengrößen (am besten nicht weniger als 24, auf keinen Fall mehr als 30) ergeben. Zu groß für eine Klasse und zu klein für zwei: Das Problem hätte Eichen im kommenden Schuljahr gehabt. Durch „eine Reihe von Gesprächen”, so Reichel, sei die Zahl der Anmeldungen auf 28 gedrückt worden. Ein ähnliches Problem steht über kurz oder lang Buschhütten und danach Kredenbach ins Haus.

Kein Problem, auch weiterhin zwei Klassen pro Jahrgang zu bilden, hat die katholische St. Martin-Schule - „wenn alles so bleibt”, wie Schulverwaltungsamtsleiter Dieter Loske einschränkend sagte. Denn genau da wollen die Leitungen der sieben anderen Grundschulen ansetzen, um Buschhütten zu stärken und um dort und auch am Kreuztaler Ziegeleifeld Änderungen in der Zusammensetzung der Schülerschaft zu bewirken (die WR berichtete).

Die Stadt müsse „Bildungschancen für alle Kinder eröffnen”, forderte die künftige Buschhüttener Schulleiterin Claudia Gawrosch. Dazu passe es nicht, dass bei Anteilen von 58 Prozent Migrantenkindern in Buschhhütten und 68 Prozent in Kreuztal „Ghettoschulen entstehen”. In Buschhütten werden zudem im Rahmen des Gemeinsamen Unterrichts Kinder mit Behinderung und besonderem Förderbedarf aufgenommen; sie stellen 15 Prozent einer Klasse. „Dafür brauchen wir die Zweizügigkeit”, sagte Lehrerin Susanne Merkelbach.

„So ganz kollegial war das sicher nicht” 
Den in dem Rektorenbrief verwendeten Begriff der „Durchmischung” griff Rolf Deppner an: Der gehöre, seit der Nazi-Zeit, ins „Wörterbuch des Unmenschen”. Erich Hofmann, Rektor der Gemeinschaftsgrundschule, bedauerte das: „Das tut mir Leid.” Ihm und seinen Kollegen sei es darum gegangen, durch Lenkung der Schülerströme „Chancengleichheit für alle Kinder in Kreuztal” herzustellen.

„So ganz kollegial war das sicher nicht”, kommentierte Bürgermeister Rudolf Biermann das Papier der sieben Rektoren, das wohl seinen Teil zum Andrang in der Krombachhalle geleistet hatte. Hans-Günter Ludwig, Rektor der Grundschule Fellinghausen, wies solche Kritik zurück: Die Rektoren hätten ihren Vorschlag vorgelegt, nachdem sie lange auf eine Initiative aus der Stadtverwaltung gewartet hätten.

„Bei der Planung war uns gar nicht bekannt, wie brisant und aktuell das Thema wird”, sagte Ursel Pohl bei ihrer Begrüßung. Die CDU-Stadtverbandsvorsitzende war Gastgeberin des Abends, zu dem mit Martin Depenbrock auch der Vorsitzende der Landeselternschaft der Grundschulen eingeladen war. Morgen hat die Stadtspitze ein „Beratungsgespräch” bei der Bezirksregierung. Dann geht es in Schulausschuss und Rat weiter. Die Eltern werden zuschauen müssen. „Dabei fand ich es so gut, dass wir endlich selbst eine Schule aussuchen konnten”, sagte ein Vater.

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FAKTEN - Schülerzahlen fast halbiert

Als die evangelische Grundschule Littfeld 1991 als achte Grundschule im Stadtgebiet eröffnet wurde, gab es 503 Erstklässler. 2008 sind es 265, nach einem Anstieg bis auf 300 im Jahr 2013 auch 2014 nur noch 264. Im kommenden Schuljahr werden für 1267 Grundschüler 58 Klassen gebildet - das sind sechs mehr, als bei einer Verteilung der Kinder auf gleich große 24er Klassen gebraucht würden. Die Neubildung solcher „Mehrklassen” wird von der Schulaufsicht mittlerweile abgelehnt.