27.02.2009

Vom Dampf-Eilzug bis zur Rothaarbahn (Bahnjubiläum - Bericht WR)

Die Festgesellschaft, die Sonntag Vormittag um 11.10 Uhr in Kreuztal in die Rothaarbahn einsteigt, wird von Bürgermeister Rudolf Biermann angeführt. Fast auf die Stunde genau 125 Jahre nach der ersten Zugfahrt von Kreuztal nach Hilchenbach wird Jubiläum gefeiert.

Damals, am 1. März 1884, fuhr der Sonderzug „Nachmittags 2 Uhr Ortszeit” in „Creuzthal” ab - erst seit 1927 wurden die Uhrzeiten, wie heute, in 24-Stunden-Zählung angegeben. Kreuztal war damals ein Dorf, der Bahnhof erst 23 Jahre zuvor buchstäblich auf der grünen Wiese in Betrieb genommen worden, als mit der Verbindung Altena-Siegen das letzte Stück der Ruhr-Sieg-Strecke eröffnet wurde. Als angehender Bahnknotenpunkt war Kreuztal keineswegs die erste Wahl: Für die Ost-West-Verbindung war auch an eine Strecke Altenhundem-Marburg und an eine Strecke von Siegen über Netphen und Deuz gedacht worden, bevor 1881 die „Creuzthal-Hilchenbacher Eisenbahn-Gesellschaft” auf den Plan trat.

Das Interesse war groß: 150 000 Mark Aktienanteile zeichneten allein die Gebrüder Klein in Dahlbruch, aus deren Firma später die Siemag hervorging, 60 000 Mark die Stadt Hilchenbach, wie Werner Herling in seinem Band „Eisenbahnen im nördlichen Siegerland” berichtet. Auch die Gemeinde Ferndorf war bereit, bis zu 10 000 Mark für den eigenen Bahnhof beizusteuern. Eine Privatbahn entstand dann schließlich aber doch nicht.

Ferndorf und Vormwald: Baugleiche Bahnhöfe 
Der preußische Staat beauftragte die Bergisch Märkische Eisenbahn, die 1882 als Königlich Preußische Staatsbahn verstaatlicht wurde, mit dem Bau der zehn Kilometer langen Strecke.Genau drei Minuten wird die kleine Festgesellschaft in der Rothaarbahn auch morgen von Kreuztal bis Ferndorf brauchen und damit doppelt so schnell sein wie der erste Zug vor 125 Jahren. Mitglieder des Heimatvereins werden dort zusteigen. Der 1883/84 errichtete Ferndorfer Bahnhof ist mit dem Hilchenbacher der älteste an der Strecke - denn die folgenden Stationen Dahlbruch und Stift Keppel-Allenbach entstanden erst 1914/1915, als die Bahn ab Ferndorf auf ihre heutige Trasse gelegt wurde. In den ersten Jahren führte der Damm über die Austraße auf die Provinzialstraße, die heutige B 508. Mit 30 km/h fuhren die Züge dort entlang - zu schnell, um Unfälle zu vermeiden. Die ehemaligen Bahnhöfe stehen noch: in Dahlbruch das zuletzt als städtisches Jugendheim genutzte Wohnhaus neben der neuen Feuerwache, in Allenbach das Eckhaus am Stift-Keppel-Weg.

Mit Bahnhofstraße und Bahnhofs-Gasthof 
Mit der Eröffnung der Bahn wurde die Postkutsche eingestellt. Mit der Verlegung der Strecke entstand wieder neuer Bedarf in den auf einmal wieder schlecht erschlossenen Orten: Der Dahlbrucher Unternehmer Albert Schmidt bekam schließlich 1928 die Konzession für eine Autobuslinie. Die Ferndorfer, von denen der Staat einige Grundstücke für den Bahnbau erst durch Enteignung bekam, freundeten sich mit dem Verkehrsmittel an. Der Gasthof „Hamer” wurde 1886 in „Gasthof zum Bahnhof” umbenannt, das spätere Hotel Finke. Eine Bahnhofstraße leistete sich der Ort auch, bis zur kommunalen Neugliederung. Seitdem trägt der Verbindungsweg zur B 508 den schönen Namen „Gute Zeit”.

Großer Bahnhof Hilchenbach: Um 11.26 Uhr will Bürgermeister Hans-Peter Hasenstab seine Gäste aus Kreuztal am Sonntag in Empfang nehmen. Vor 125 Jahren hatte die Fahrt noch 55 Minuten gedauert. Damals, 1884, war dort Endstation mit Wasserturm und Lokschuppen. Schon ab 1888 ging es weiter nach Erndtebrück, nächster Bahnhof war Vormwald, der übrigens baugleich mit dem Ferndorfer Bahnhof ist. Bis zu 40 Mitarbeiter hatte der Hilchenbacher Bahnhof: vom Oberbahnhofsvorsteher bis zum Hilfsbremser, vom Oberschaffner bis zum Maschinenputzer. Hinzu kam die 30-köpfige Belegschaft der Bahnmeisterei mit den Weichenstellern, Bremsern und Unterhaltungsarbeitern, die in zwei „Rotten” aufgeteilt waren.

Die Bahn ist klein geworden: 1953 wurden die ersten roten Schienenbusse auf der Strecke eingesetzt, zusätzliche Haltepunkte konnten in Kreuztal-Ost, Kredenbach und Hillnhütten bedient werden. 1979 fuhr der letzte Eilzug auf der Frankfurt-Marburg-Kreuztal-Siegen-Köln. 1995 wurde der neue Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Süd (ZWS) zuständig für die Rothaarbahn. Aus dem Jahr 2006 datiert das letzte Gutachten, das Maßnahmen zur Beschleunigung der Strecke empfiehlt. Dabei dauert die Reise von Hilchenbach nach Siegen doch nur noch eine halbe Stunde - drei Mal so schnell wie 1884, am Ende der Postkutschenzeit. Blütenträume: Schon 2004 trat ein „Arbeitskreis S-Bahn Siegen” auf den (Fahr-)Plan, der die Line „S 2” von Siegen nach Hilchenbach geschickt hätte. Die nächste Neuordnung steht nun 2015 an: Dann soll die Rothaarbahn bis Betzdorf durchfahren. Vielleicht.

Zum Jubiläum ins Café 
Zum Festessen beim Gastwirt Hoffmann bat das „Fest-Comite´” am 1. März 1884. Um „30 Ortszeit” war die Gesellschaft angekommen, der „Extrazug” für die Rückfahrt war für „10 Uhr Abends” bestellt, damit in Kreuztal noch der 11.17-Uhr-Zug nach Siegen erreicht wurde. So lange dauert es morgen nicht. Bürgermeister Hasenstab bittet zu Kaffee und Kuchen ins Stadtcafe´. Der Bahnhof ist dafür nicht mehr zu gebrauchen - gastronomisch gesehen. Die Stadt Hilchenbach überlegt, daraus ein Jugendzentrum mit Band-Probenräumen zu machen, wenn sie denn Geld dafür hat. Baudezernent Michael Kleber: „Wir sind optimistisch.”