07.04.2009

„Wir fühlen uns diskriminiert“

KiBiz: Kinderpflegerinnen brauchen ab 2011 Zusatzqualifikation
Allein bei der Stadt Kreuztal sind davon rund 50 Mitarbeiterinnen betroffen.

nja ♦ KiBiz, das im August 2008 in Kraft getretene nordrhein-westfälische Kinderbildungsgesetz, sorgt nach wie vor für Unmut. Ein Beispiel: Kinderpflegerinnen dürfen nach dem 31. Juli 2011 ohne Zusatzqualifikation nicht mehr „zuschussunschädlich“ in Gruppen eingesetzt werden, in denen unter Dreijährige betreut werden. Davon sind allein in den zwölf Kindertageseinrichungen der Stadt Kreuztal rund 50 Mitarbeiterinnen betroffen.

Im Klartext: Wenn sie nach dem Stichtag 2011 den Job weiterhin ausüben wollen, den sie zurzeit verrichten und für den sie sich auch primär ausgebildet wähnten – die Betreuung von Kindern bis zu drei Jahren – müssen die so genannten Ergänzungskräfte sich berufsbegleitend zur Erzieherin qualifizieren.

Die SZ sprach mit einigen Betroffenen. Sie sind fassungslos und halten die neue Gesetzesregelung für absurd: Schließlich seien gerade Kinderpflegerinnen insbesondere für die Betreuung von kleineren Kindern qualifiziert. Dass sie künftig eine Zusatzqualifizierung vorweisen müssten, um ihren jetzigen Job weiterhin ausüben zu können, empfinden sie als Schikane. „Wir fühlen uns diskriminiert“, brachte es eine seit Jahrzehnten tätige Kinderpflegerin auf den Punkt.

„Da mache ich nicht mit“, fügte eine Kollegin hinzu: Sie sei über 50 Jahre alt, lasse sich nicht zeit- und nervenraubend neben ihrem 39-Wochenstunden-Job weiterbilden. Die Frauen sind sich einig: „Wo gibt es das denn, dass man auf die vorhandene Ausbildung eine weitere draufsatteln muss, um den selben Job ausüben zu können wie all die Jahre zuvor?“ Eine jungen Kollegin ist zutiefst verunsichert. Sie ist alleinerziehende Mutter und hat Angst vor der Zukunft: Wo, so fragte sie, solle sie die Zeit hernehmen? „Mal eben so“ neben der Arbeit und der Familie sei diese Qualifizierung nicht zu leisten.

Thomas Mehlin, Personalratsvorsitzender der Stadt Kreuztal, wies im SZ-Gespräch auf ein weiteres Dilemma hin: Im Siegener Berufskolleg stünden gar nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung, um alle im Kreisgebiet von der Neuregelung Betroffenen bis zum Stichtag entsprechend zu qualifizieren. In Siegerland und Wittgenstein seien dies rund 300 Frauen. Neben der Weiterqualifizierung zur Erzieherin gibt es am Fischbacherberg auch die Möglichkeit zu „Externenprüfungen“: für ungelernte Kräfte zur Kinderpflegerin sowie für Kinderpflegerinnen zur Erzieherin – allerdings den Angaben zufolge ohne schulische Vorbereitung.

Anette Meier, Leiterin des Eichener Familienzentrums „Regenbogen“, ist verärgert und auch ratlos mit Blick auf die Zeit ab 2011: „Ich darf dann hervorragende Fachfrauen nicht mehr einsetzen!“ Hinzu komme, dass der Betreuungsbedarf für bis zu Dreijährige weiter steigen werde. Die KiBiz-Neuregelung werde als Qualitätssteigerung verkauft, doch fürchtet sie, die Auswirkungen auf die Betroffenen und auch auf die Kindertageseinrichtungen seien nicht ausreichend bedacht worden: „Es war wohl eine Aufwertung der pädagogischen Arbeit gewollt. Aber so ist sie nicht zu erreichen. Ich hoffe, das wird in Düsseldorf noch erkannt!“ Zumindest müssten jedoch Übergangslösungen für die heute schon in den Kindergärten etablierten Kinderpflegerinnen greifen.

Die Arbeit mit den Kleinsten der Kleinen sei eine ganz andere als die „klassische“ Erzieherinnenarbeit mit den Drei- bis Sechsjährigen, sagte Anette Meier. Warum ein funktionierendes und bislang doch auch gesellschaftlich akzeptiertes und für gut befundenes System derart ad hoc geändert werden solle, sei einfach unbegreiflich.