25.10.2009

Wo früher die Straßenbahn rollte

Siegener Straße heute noch Hauptverkehrsachse
Hotel entstand in den 1860er-Jahren
Gastwirtschaft war anfangs eine Fuhrhalterei angeschlossen
„Peerds-Mönkersch“ verdienten gut

uha  ♦ Viele Generationen überdauert hat der Kreuztaler Bereich, auf dem heute u.a. das Hotel Keller zu finden ist. Die Fotos von diesem Fleckchen Erde weisen auf keine allzu großen baulichen Veränderungen hin, zeigen aber die sich wandelnde Verkehrsentwicklung der verschiedenen Zeitepochen auf: Hier eines der im vorvorigen Jahrhundert noch vorherrschenden Pferdefuhrwerke, dort die auch im heimischen Raum aufkommenden Kraftfahrzeuge, die heute die Herzen der Oldtimerfreunde höher schlagen lassen. Und nicht zuletzt die fast neugierig um die Ecke lugende Straßenbahn, die sich Stück für Stück von Siegen aus den Weg bis Kreuztal erobert hatte. Unübersehbar auch ein Stück Kreuztaler Industriegeschichte, da wo heute der städtische Baubetriebshof ist.

Im Mittelpunkt stand und steht das frühere und heute noch so genannte Hotel Keller, eine der „ersten Adressen“ im nördlichen Siegerland. In den 1860er Jahren kam Jost Münker von Krombach nach Kreuztal, erbaute das Haus und richtete eine Gastwirtschaft und Fuhrhalterei ein. In jenen Jahren, in denen die Ruhr-Sieg-Eisenbahnstrecke gebaut und 1861 eröffnet wurde, gab es hierzulande mit seinen Pferdefuhrwerken viel zu tun, „Peerds-Mönkersch“ verdienten gut. Trotz vieler Nachkommen wurde das Haus nach dem Ersten Weltkrieg an Fritz Keller verkauft, der den „Gasthof zum Bahnhof“ mehr und mehr zum Hotel umbaute. Das Haus blieb bis zum Jahr 1997 unter der Leitung von Klaus Dreute im Familienbesitz, seitdem wird es von Burkhard Roick bewirtschaftet.

Gleichzeitig ist auf zwei der auf dieser Seite zu sehenden Bildern das Haus Stahlschmidt zu erkennen, das vermutlich in den 1880/90er Jahren von den Besitzern der Justus-Stahlschmidtschen-Werke (heute ist dort der städtische Baubetriebshof untergebracht) erbaut und bewohnt wurde. Der tatsächliche Bauherr ist nicht mehr zu ermitteln. Man erkennt an dem mit Türmchen verzierten Wohnhaus den damals offenbar vorherrschenden Wohlstand. Ab etwa 1918 übernahm Hans Arnold Stahlschmidt das Haus, renovierte und versachlichte die Fassaden. In den Bombenangriffen von 1944 erhielt das Haus einen Volltreffer, wurde aber in schlichter Form wieder aufgebaut.

Die Justus-Stahlschmidtschen-Werke mit einem Puddelofen für die Roheisengewinnung und einem Feinblechwalzwerk für die Fertigung von gelochten Blechen in Ferndorf mussten um 1930 während der Weltwirtschaftskrise ihre Tore schließen, die Hallenkomplexe wurden anschließend vom Kölner Handelsunternehmen Otto Wolff als Stahllager genutzt. Die Optik der Baulichkeiten von Hotel Keller bis zum Baubetriebshof haben sich also in den letzten 150 Jahren nicht grundlegend verändert.

Beachtenswert ist dagegen die ehemalige Straßenbahn, von der es im Bereich der alten Gemeinde Kreuztal wohl kein anderes Foto gibt. Die Straßenbahn als damals fortschrittliches öffentliches Verkehrsmittel wurde bereits 1904 ab Siegen bis Geisweid in Betrieb genommen, 1913 bis Langenau und 1927 bis Kreuztal (Lager Otto Wolff). Die Weiterführung bis Kreuztal war erst möglich, nachdem 1916 die Langenauer Brücke gebaut war und damit eine Schienenüberquerung der Eisenbahnlinie möglich wurde.

Man konnte jetzt im 20-Minuten-Takt in der Linie 1 die Fahrt nach und von Siegen bewältigen, mit der roten so genannten „Knipskarte“ auch relativ kostengünstig. Nach genau 25 Jahren hatte auch die „Elektrische“ ausgedient: Ab 1952 wurden die über Oberleitung betriebenen so genannten Obusse eingesetzt, Endstation war die Ernsdorfer Buswende vor dem früheren Gasthof Peter Ernst.