Stichtag: 1. März. Eisenbahnstrecke Creuzthal-Hilchenbath vor 125 Jahren eröffnet. Als das „Metallross" Anfang März 1884 zur Jungfernfahrt aufbrach, endete die Ära der Postkutsche im Ferndorftal.
sz/nja. „Von schönstem Wetter begünstigt, wurde am vorigen Samstag das jüngste und zugleich bedeutungsvollste Werk industriellen Fleißes und idealen Strebens als vollendet anerkannt und in unsern Dienst gestellt. Welch freudiges Entzücken und Beglücken für alle Bewohner des oberen Ferndorfthals! (...) Schon am frühen Morgen des feierlichen Eröffnungstages vernahmen wir den noch ungewohnten grellen Ton des präcise 6.10 Uhr bereitstehenden Metallrosses. Seinem Dienstantritt wurde von einem Dutzend Böller donnernden Beifall gezollt." Mit diesen enthusiastischen Worten berichtete die Siegener Zeitung Anfang März 1884 über die Eröffnungsfeier der „SekundärEisenbahn Creuzthal-Hilchenbach".
Dieses bis in die heutige Zeit bedeutungsvolle Ereignis, das sich nun zum 125. Mal jährt, ist eng verknüpft mit einem zweiten aus dem gleichen Jahr, denn auch der Ferndorfer Bahnhof existiert seit nunmehr 125 Jahren. So manchem Neuanfang geht jedoch ein Ende voraus - so auch in diesem Fall: Und so begab sich am 29. Februar 1884 letztmalig die Postkutsche auf den Weg durch das Ferndorftal. Dieser Abschied war mit viel Wehmut verbunden.
Wie aber kam es zu dieser Investition in die Infrastruktur? Wie in Teil II der Ferndorfer Dorfchronik des Heimatvereins zu lesen ist, stellte 1870 der Dahlbrucher Fabrikant August Klein eine Liste zusammen, in der das gesamte zu erwartende Frachtaufkommen im Ferndorftal verzeichnet war und rechnete vor: Der Betrieb einer Eisenbahn „untergeordneter Bedeutung" von Hilchenbach nach Kreuztal mit Anschluss an die 1861 eröffnete Ruhr-SiegStrecke sei wohl rentabel. Für Ferndorf wurden jährlich 62 500 Zentner erwartet.
„Die Herren Hermann Klein aus Hilchenbach, die Gebrüder Klein aus Dahlbruch und J. H. Dresler sen. aus Siegen stellten den Bauantrag", hielt Dietmar Stahlschmidt in der Chronik fest. Die Baukosten: rund 952 179 Mark. „Da die Landesregierung keine Mittel für den Bahnbau zur Verfügung stellen wollte, gründete man 1881 in Hilchenbach ein Komitee, die Creuzthal-Hilchenbacher Eisenbahngesellschaft", eine Aktiengesellschaft, die sich den Bau und Betrieb einer Sekundäreisenbahn zum Ziel setzte. „In kurzer Zeit wurde eine große Anzahl Aktien gezeichnet, so dass bereits im Februar 1881 die Gebrüder Klein (jetzt Siemag) 150 000 Mark und die Stadt Hilchenbach 60 000 Mark zeichneten." Als sich das Vorhaben somit also gut entwickelte, „regten sich dann doch die höchsten Instanzen": Eine Privatbahn sollte verhindert werden. Die Bergisch-Märkische Eisenbahngesellschaft wurde beauftragt, Kontakt zu der Aktiengesellschaft aufzunehmen, und auch die beteiligten Gemeinden und Privatpersonen wurden von der Eisenbahndirektion aufgefordert, sich zu engagieren.
Die Baugenehmigung wurde 1881 erteilt -unterzeichnet von keinem Geringeren als Wilhelm L, König von Preußen - und mit der Auflage verbunden, dass die Strecke in spätestens zwei Jahren in Betrieb zu sein habe. „Die Bauarbeiten begannen Ende des Jahres. Der Einfachheit halber verlegte man die Strecke zwischen Ferndorf und Hilchenbach entlang der Provinzialstraße, auch Chaussee genannt", also der späteren Wittgensteiner Straße. Anrainer der Trasse klagtien gegen den Bau: Sie befürchteten, ihre Grundstücke würden wegen Lärms und Drecks entwertet oder gingen auch verloren - und erhielten schließlich Vergleichszahlungen. Und auch die Fuhrbetriebe im Ort waren zunächst alles andere als begeistert, bangten um Aufträge, befürchteten in der Eisenbahn eine knallharte Konkurrenz: Eine Angst, die zum Glück nicht berechtigt war. Denn: Mit Eröffnung der Bahnlinie nahm der Güterverkehr zu.
Die alte Landstraße, heute heißt sie Austraße, muste verlegt werden, bei anderen Häusern wurde das Stroh auf den Dächern durch feuerfeste Materialien ersetzt. Während all dies zu klären war und die Bahnstrecke Meter für Meter wuchs, wurde auch der Wunsch nach einem eigenen Bahnhaltepunkt Ferndorf erfüllt.
Bombenangriff zerstörte Kreuztaler Rangierbahnhof
Der Kreuztaler Rangierbahnhof wurde am 18. März 1945 bei einem Bombenangriff der Alliierten nahezu völlig zerstört. Und auch der Ferndorfer Haltepunkt sowie die Schienen wurden dabei beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen. Der Zugverkehr Richtung Kredenbach musste eingestellt werden. Nach Beseitigung der Kriegsschäden in Folge der Besetzung auch Ferndorfs durch die Amerikaner wurden im Juni 1945 die Strecken Kreuztal-Hilchenbach, Siegen-Hagen und Kreuztal-Marburg wieder in Betrieb genommen. Das war für viele Bürger ein Glück: Standen doch alsbald abenteuerliche „Hamsterfahrten" in Nachbarregionen, zum Beispiel nach Hessen, auf dem Programm, um die Versorgung der Familien zu sichern.
Bahntrasse wurde verlegt - Provinzialstraße dauerhaft nicht geeignet / Neubau im linken Tal
Dass die Eisenbahnschienen zwischen Ferndorf und Hilchenbach auf der Hauptstraße verliefen, sollte nicht von allzu großer Dauer sein. Der Zugverkehr nach Marburg nahm zu, und dies führte zu gefährlichen Situationen: Es gab Unfälle mit Verletzten und auch Toten, ist in der Ferndorfer Dorfchronik nachzulesen. Die Schlussfolgerung: Die Bahntrasse wurde Richtung Süden ins Tal verlagert. Die Gemeindevertretung erklärte sich schließlich 1909 „mit einer Streckenführung vom Bahnhof durch die Aher Weiden einverstanden". Die Vorbereitungen zogen sich bis 1912 hin. Mit dem Bau wurde 1913 begonnen; nach Ausbruch des 1. Weltkriegs wurde er auch von Kriegsgefangenen ausgeführt. Die polizeiliche Abnahme erfolgte 1915.
Die Trassenverlegung bedingte bauliche Änderungen und Erweiterungen des Bahnhofs; so wurden u. a. ein Ausweichgleis und ein zweiter Bahnsteig errichtet; es waren nunmehr Zugkreuzungen möglich. „Der alte Bahndamm zwischen Bahnhof und Provinzialstraße hatte ausgedient, und die Fläche des ehemaligen Bahnkörpers an der Provinzialstraße wurde 1921 von der Bahnmeisterei Hilchenbach zur Straße umgebaut", ist der Ferndorfer Chronik zu entnehmen.
Konkurrenz erhielt die Bahn Ende der 20er Jahre vom Omnibus - wohl auch, weil mit der Schienenverlegung in die linke Talseite die Entfernung zu den Orten Kredenbach-Lohe, Dahibruch sowie zu Stift Keppel/Allenbach gewachsen war. „Die Gemeinde Ferndorf begrüßte am 3. Januar 1928 den Antrag der Firma W. Koopmann in Scherl bei Meinerzhagen auf Eröffnung einer Autobuslinie Littfeld-Hilchenbach. Diese sollte die Arbeiter zum Eichener Walzwerk bringen und die fehlende Zugverbindung ersetzen. Es kam aber nicht zur Eröffnung dieser Linie, vor allem wegen der Widerstände der Eisenbahnverwaltung. Dafür erhielt nach allerlei Schwierigkeiten der Kraftfahrunternehmer Albert Schmidt in Dahlbruch die Genehmigung für den Autobusbetrieb."
Haltepunkt für Ferndorf - Stationsvorsteher mit eigener Dienstwohnung / Heute: DB Plus-Punkt
Als das erste „Eisenross" über die neue Bahnlinie zwischen Kreuztal und Hilchenbach ratterte, wurde auch der Ferndorfer Bahnhof seiner Bestimmung übergeben - dazu zählten seinerzeit neben dem Empfangsgebäude mit Stationsbüro, Fahrkartenausgabe, Wartesaal sowie, im Obergeschoss, einer Dienstwohnung des Stationsvorstehers auch noch ein Güterschuppen mit Stückgutwaage und eine Sanitäranlage. Das waren noch Zeiten, mag sich der auch heute noch auf die Bahn angewiesene Ferndorfer denken - selbst, wenn seine Ahnen seinerzeit die Briketts zum Beheizen des Ofens im Wartesaal schon mal selbst mitbringen mussten!
Laut Ferndorfer Ortschronik waren die Geschäftsleute stark interessiert an einem Zughaltepunkt vor Ort, mussten sie bislang ihre Güter doch immer zum Kreuztaler Bahnhof kutschieren, um sie versenden zu können, und ihre Rohstoffe dort auch abholen. Die Ferndorfer „Dependance" entstand „auf der Pfarrwiese" - zwischen Mühlenweg, Vorm Berge, Ferndorfbach und der Provinzialstraße (später: Wittgensteiner Straße). Auch der Güterverkehr profitierte von der Eröffnung der Bahnstrecke zwischen Kreuztal und Hilchenbach, und die örtlichen Fuhrmannsleute atmeten auf: Konnten sie doch die Waren vom Bahnhof in die Ortschaften transportieren.
Eine Bahnhofsgaststätte gab es am Haltepunkt Ferndorf nie - allerdings lag der Gasthof „Hamer" an der Provinzialstraße und direkt am Zufahrtsweg zum Bahnhof. Er wurde 1886 zudem in „Gasthof zum Bahnhof" umbenannt, in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts dann aber in ein Wohngebäude umfunktioniert, bevor Oswald Finke den Bau 1930 erwarb und wieder seiner gastgebenden Funktion zuführte. Den Namen „Hotel Finke" erhielt das Gebäude erst in den 50er Jahren.
Doch zurück zu den Anfangstagen: Nachdem 1888 der Bahnstreckenabschnitt zwischen Hilchenbach und Erndtebrück für den Verkehr freigegeben worden war, wurde eine Verlängerung des Ferndorfer Bahnsteigs erforderlich. Weitere folgten, denn: Anfang des 20. Jahrhunderts siedelte sich weitere Industrie in Bahnhofsnähe an. In der Chronik wird u. a. an das Kurthsche Zementwerk sowie das Anschlussgleis für Kaufmann Schaub erinnert.
1956 verlor die Dienststelle des Ferndorfer Bahnhofs ihre Selbstständigkeit und gehörte nunmehr zum Bahnhof Dahlbruch. Es folgten Umbauten und auch Sicherungsmaßnahmen an den Bahnübergängen Vorm Berge und Mühlenweg. Sein schmuckes Antlitz verlor der Bahnhofsbau 1968, als laut Chronik die kunstvoll verzierten Giebel und der ornamentale Naturschiefer entfernt und von einer vergleichsweise schnöden Kunstverschieferung ersetzt wurden. Auch das Trinkwasserbecken verschwand. Es sollte nicht die einzige „Reduktion" bleiben. Ab 1975 gehörte der Ferndorfer Bahnhof sodann zum „großen Bruder" in Kreuztal. „Der Schalter mit der Zahlstelle für Pensionäre und Hinterbliebene, die Betreuungsstelle und Frachtbriefannahme wurden aufgegeben und zugemauert." Die Dienstwohnung wurde ab 1965 privat vermietet. Anno 2000 schließlich erfolgte die bislang letzte Änderung mit der Errichtung des so genannten „DB PlusPunkts".