21.04.2010

Die schlimmste Nachricht

Ferndorf ♦ Tag der Notfallseelsorge: „Tod – Wie sagen wir es nur den Angehörigen?“

Es gilt so lange Zeit mitzubringen, bis das soziale Netz greift.

sz  Kein Polizeibeamter meldet sich freiwillig, wenn gefragt wird, wer die Eltern über den Tod der 16-jährigen Schülerin informiert. Und dennoch muss jemand diese heikle Aufgabe übernehmen. Wie reagieren die Eltern? Wie kann man das Überbringen der Todesnachricht so gestalten, dass die Folgewirkungen möglichst abgemildert werden? Was sollte man auf gar keinen Fall tun? Diese und viele weitere Fragestellungen beschäftigen jetzt Polizeibeamte, Rettungskräfte, Feuerwehr und die Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger auf ihrer siebten Jahrestagung im ev. Gemeindehaus Ferndorf.

Beeindruckend schilderte Polizeihauptkommissar Hans-Rainer Otto, Leiter der Polizeiwache Wilnsdorf, von verschiedenen Todesfällen, die ein Überbringen der Todesnachricht erforderlich machten. Vier lange Stunden verbrachte er mit einem Kollegen in der Wohnung einer Frau, deren 19-jähriger Sohn bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Drei Jahre nach dem Ereignis ließ ihn die Mutter wissen, dass ihr das Gespräch gut getan habe.

Schwierige Familiensituationen, beispielsweise bei getrennt lebenden Eltern, können das Überbringen einer Todesnachricht zu einer komplizierten Angelegenheit werden lassen, teilte der Kirchenkreis Siegen im Anschluss an die Tagung mit. Einem zwölfjährigen Mädchen musste der Tod seiner Mutter überbracht werden. Der Vater des Kindes hatte nach Misshandlungen ein Besuchsverbot. Hier half die Kinderklinik und stellte eine stationäre psychologische Betreuung zur Verfügung. Otto: „Bei der Überbringung von Todesnachrichten ist uns die Unterstützung durch die Notfallseelsorge sehr wichtig. Die Beamten wissen mittlerweile auch die Hilfe des Kriseninterventionsteams zu schätzen, das Tag und Nacht für sie bereit steht, um zu helfen, solche belastenden Einsätze besser zu verarbeiten. Sie haben begriffen, dass es kein Zeichen von Schwäche ist, eine solche Einrichtung in Anspruch zu nehmen.“

Arnd Merten, Anästhesist und einer der drei leitenden Notärzte des Kreises Siegen-Wittgenstein, machte deutlich, dass keine Betreuung der Angehörigen durch den Rettungsdienst möglich sei. Der sei auch nicht für die Überbringung einer Todesnachricht geschult. Der Rettungsdienst müsse, beispielsweise nach einer erfolglosen Reanimation, wieder für den nächsten Einsatz bereit stehen. Er schildert mögliche Reaktionen von Angehörigen nach dem Erhalt einer Todesnachricht. Emotionale Taubheit, innerlich Abschalten oder Übererregung. Weinen, Schreien, Herumlaufen, selbst die Tendenz zur körperlichen Eigengefährdung seien zu beobachten. Aber auch mit Spätreaktionen wie eine sich aufzwängende Wiedererinnerung, Albträume, Schuldgefühle oder Schlafstörungen müsse gerechnet werden. Er gab praktische Handlungsanleitungen, wie die Überbringung einer Todesnachricht gestaltet werden kann. Floskeln hätten hier keinen Platz, hieß es. Besonders müsse auf Kinder geachtet werden, die im Raum seien.

Die Überbringung einer Todesnachricht aus Sicht der Notfallseelsorge schilderte Pfarrer Peter Renschler-vom Orde. Seit 13 Jahren ist er als Notfallseelsorger tätig. Der Notfallseelsorger, so der Theologe, bringe so lange Zeit mit, bis das soziale Netz greife. Für die Notfallseelsorge sei es hilfreich, wenn sie von Beginn an präventiv zur Unterstützung alarmiert werde. So könnten frühzeitig die erforderlichen Informationen ausgetauscht werden, die ein der Situation angemessenes Auftreten ermöglichten. Für die Aufgabe der Notfallseelsorge, so Renschler-vom Orde, sei die Begleitung durch einen Polizeibeamten, der an seiner Dienstkleidung erkennbar sei, hilfreich. Die Polizei sollte in einem solchen Falle die Aufgabe übernehmen, die Todesnachricht zu überbringen. Dann übernehme die Notfallseelsorge die weitere Betreuung. Für die Aufgabe der Notfallseelsorge sei es nicht förderlich, wenn der Seelsorger auch gleichzeitig als „Todesbote“ auftreten müsse.

In den Gesprächen wurde deutlich, dass der „Tag der Notfallseelsorge“ als Gesprächsforum wichtig ist, um Defizite aufzuspüren und das reibungslose Miteinander in solchen schwierigen Situationen zu verbessern sowie die Aufgabenstellung der unterschiedlichen Beteiligten zu verstehen. Der Schulungstag endete mit einem ökumenischen Gottesdienst, den der katholische Pfarrer Winfried Neumann leitete.