31.12.2010

Polizei hatte sogar die Hoheit über das Licht

Kreuztal. Ein Blick in die Geschichte der Kreuztaler Polizei bringt zahlreiche Geschichten und Anekdoten zutage. Die SZ lädt ein zu einer kleinen Zeitreise. Die Polizisten früherer Jahre waren sozusagen "Mädchen für vieles."

uha - Es war Ende der 20er Jahre. Kurt Müermann (heute 91 Jahre alt) war mit dem Fahrrad unterwegs, abends ohne Licht, zudem seine Freundin mit dabei. So war das früher manchmal. Bei Kolbs Sägewerk in Ferndorf stoppte ihn die Polizei. Wachtmeister Oswald Keller zog das Notizbuch und notierte Namen und Anschrift des jungen Verkehrssünders. "Bist du der Jung vom Theodor?" Kurt nickte. "Hättest du das doch gleich gesagt!" Es half nichts, sein Name stand nun im Buch. Kurt Müermann musste eine Reichsmark berappen und tags darauf in der Roonstraße 15 abgeben. Hier war Polizist Keller zu Hause und für die öffentliche Ordnung zuständig, in der Gemeinde Kreuztal und zugleich im ganzen Heestal.

Vier Landpolizisten
Zu jenen Zeiten beschäftigte das Amt Ferndorf vier Landpolizisten. Waldemar Müller aus Ferndorf (82) kennt sie alle noch mit Namen: Sein Onkel Heinrich Katz (zuständig für Ferndorf und Kredenbach), Albert Jünger (zuständig für das Littfetal) und Karl Wurmbach (zuständig für Buschhütten). In diesen Zeiten war die Welt noch in Ordnung, gemessen an heute. Autoschlangen, Staus und Ampel gab es nicht. Hochkonjunktur hatte das Fahrrad, auch für die Landpolizisten. Mit Schwung bestiegen sie ihren Drahtesel über die verlängerte Achse des Hinterrads, bei Regenwetter trugen sie ein Cape mit hochgebundenen Ecken, wegen der Sicherheit. Aber meist waren sie wohl zu Fuß im Einsatz, um überall nach dem Rechten zu schauen. Zuständig für die vier, die blaue Uniformen trugen, war die Amtsverwaltung Ferndorf. Ihnen zur Hilfe kamen bei Bedarf die grünuniformierten Gendarmen, die vormals der Staatsregierung Preußen unterstellt waren. Erinnern können sich noch einige an die Gendarmen Jütte und Vetter in Krombach, Schippmann in Kreuztal und Blossei in Buschhütten. Sie hatten mehr staatshoheitliche Aufgaben.

Respektspersonen und Freunde
Anneliese Weber (84) aus Langenau erinnert sich noch heute, dass Landpolizist Karl Wurmbach, der in der damaligen Wiesenstraße wohnte, bei den Anwohnern der Chaussée anklopfte, wenn sie im Winter noch nicht die Gosse freigemacht hatten, so streng ging es zu. Als sie als Volksschülerin im 1. Schuljahr nicht mehr neben ihrer liebsten Freundin Gerda sitzen durfte, erfuhr das Polizist Wurmbach, denn Gerda war seine Tochter. Tags darauf ging er zur zuständigen Lehrerin und regelte die Sache im gewünschten Sinne, basta! Die damaligen Wachtmänner, das sagen alle Alten, waren für alle Bewohner Respektpersonen, die aber zugleich mit den Menschen im Dorf befreundet und verwurzelt waren und viele Streitereien auch gütlich beenden konnten. Die Pistole im Holster wurde so gut wie nie gebraucht. Trotzdem gab es Aufgaben, die oft die Kräfte überforderten. Vornehmlich in den NS-Jahren mussten Befehle der Ortsgruppenleiter ausgeführt werden - bis hin zur Begleitung der jüdischen Mitbürger zum Deportationsbahnhof. Die Gottesdienste in der Ferndorfer Kirche mussten von "Onkel Heinrich" protokolliert werden. Mehr als schwere Zeiten für viele. Dagegen war es für ihn eine leichte Übung, jeden Abend von seinem Wohnzimmer aus die Ferndorfer Straßenbeleuchtung einzuschalten: "Mädchen für vieles". Auch Karl Wurmbach musste die Gottesdienste überwachen, so auch in der katholischen Kirche am Dörnberg. Als er dort erschien, fragte ihn Arnold Lerg, damals Kirchenvorstand, halb spöttisch: "Na, willst du jetzt katholisch werden?"

Lottogewinn finanzierte Polizeidomizil
Von einer für ihn möglicherweise lebensrettenden Geschichte berichtet Erwin Hillnhütter (81) aus Eichen. Nur einige wenige Tage vor dem Eindrücken der amerikanischen Besatzer am 9. April 1945 brachte der Eichener Dorfpolizist Albert Jünger den Stellungsbefehl für den 15-jährigen Erwin und zwei weitere Eichener, sich bei der Littfelder Jugendherberge zu melden. Jüngers mutige Bemerkung an Vater Albert Hillnhütter: "Du weißt sicher, was du zu tun hast!" Der Vater versteckte seinen Sohn im Holzschuppen, wo Erwin knapp zwei Tage ausharrte, bis die US-Befreier erschienen. Die beiden anderen jungen Eichener hatten sich gehorsam auf den Weg gemacht und verloren in Krombach bei einem Granatbeschuss ihr Leben.

Eine Besonderheit war die Kreuztaler Arrestzelle in der Roonstraße 15, wo auch Oswald Keller wohnte. Gab es im Amt Ferndorf Randale oder schwere Delikte, wurde der Betroffene kurzerhand in Handschellen abgeführt und in der Keller'schen Zelle eine Nacht "bei Wasser und Brot beherbergt". Am folgenden Tag fuhr man mit der Straßenbahn nach Siegen zum Richterspruch. Ältere Anwohner der Roonstraße können sich heute noch an nächtliche Stimmen aus dem benachbarten "Küttchen" erinnern.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Polizei "verstaatlicht", wie es der Kreuztaler Franz Luschka (88) nennt. Es waren für die Polizei chaotische Jahre im Hin und Her zwischen der britischen Besatzungsmacht und den deutschen Behörden. Bereits 1946 wurde im beschädigten Amtshaus zunächst notdürftig eine Polizeidienststelle eingerichtet, die in den Folgejahren öfter umzog: in das Eckhaus Behner an der alten Kreuzung, später in das Wohnhaus von Hedwig Behner, dann in einen Nebenbau der Sparkasse und 1960 in das Ziegeleifeld. Hier hatte Polizeioberkommissar Wilhelm Kleischmann nach einem persönlichen Lottogewinn der Kreuztaler Polizeistation ein stattliches Domizil errichten lassen. Nach ausführlichen Recherchen von Wolfgang Kay, zuletzt Polizei-Hauptkommissar, war der 10. Februar 1951 die Geburtsstunde der damals so genannten Polizeistation Kreuztal, die bisher zu Hilchenbach gehörte. Ein herausragender Meilenstein war dann die Motorisierung des Wachdienstes als Folge des allgemein immer stärker aufkommenden Fahrzeugverkehrs: Am 1. November 1956 fuhren zwei Funkstreifenwagen in Kreuztal ihre ersten Einsätze. In die 50er Jahre fiel auch die Aufstellung einer Verkehrskanzel an der alten Kreuzung, für die sich Franz Luschka besonders stark gemacht hatte. Von dieser erhöhten Kanzel wurden die beiden benachbarten Bahnübergänge kontrolliert und der Autoverkehr über Lautsprecher geregelt. Doch ohne richtigen Erfolg, die Kanzel war nur eine kurze Episode.

Seit den späten 1970er-Jahren an der Waldstraße
Bald danach wurden in Kreuztal die ersten Verkehrsampeln montiert. Heute residiert die Polizeiinspektion Kreuztal an der Waldstraße. 1978 war das Richtfest mit Innenminister Burkhard Hirsch und Bürgermeister Hilmar Selle, 2006 wurde ein Erweiterungsbau in Besitz genommen. Die Polizeiinspektion ist zuständig für Kreuztal, Hilchenbach, Netphen, Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück. Allein in Kreuztal sind etwa 60 Bedienstete beschäftigt, daneben gibt es etwa 15 Fahrzeuge, darunter zwei Motorräder. Zum festen Inventar gehört auch der belgische Schäferhund "Eron". Erster Ansprechpartner in allen Konfliktfällen ist die Polizeihauptwache, die rund um die Uhr besetzt ist. Der Notruf 110 läuft zwar in Siegen ein, wird aber unverzüglich weitergeleitet. Bewährt hat sich auch der Treffpunkt für Sicherheit und Ordnung am Roten Platz mit gemeinsamen Streifengängen von Polizei und Ordnungsamt. Die Zusammenarbeit wird als sehr gut bezeichnet.

Im Gespräch mit Polizeioberrat Andreas Moll, dem Chef der Inspektion, erfährt die SZ, dass Gewalt und Kriminalität hierzulande keine zunehmende Tendenz haben. Leichte und mittlere Kriminalität wie Körperverletzung, Diebstahl, Einbrüche, Betrug oder häusliche Gewalt wird im Kreuztaler Kriminal-Kommissariat weiterbearbeitet, ebenso Verkehrsdelikte im benachbarten Verkehrskommissariat, während schwere Fälle fast immer in Siegen weiterverfolgt werden. Auch im heutigen Gebäude der Inspektion gibt es zwei spartanisch anmutende Gewahrsamszellen, die geschätzt 60 Mal im Jahr zwangsgenutzt werden. Andreas Moll schmunzelnd: "Eine genauere Statistik darüber habe ich momentan nicht zur Hand."

Waren die ehemaligen Landpolizisten im Amt Ferndorf noch mit "Tschako"- Kopfbedeckung, respektheischender Miene und oft fahrradstrampelnd auf Sicherheit und Ordnung bedacht, sind die heutigen Streifenwagen zivil oder uniform mit Blaulicht und Martinshorn und oft überraschender Polizeikelle im Stadtbild präsent. Fast immer z.?B. im Straßenverkehr folgt die Strafe "auf den Fuß", damals wie heute. Und die Polizei, dein Freund und Helfer? Ein eindeutiges Ja, damals wie heute.