07.01.2010

Quo vadis, TuS Ferndorf?

Eine echte Kreuztaler Diva… Worte, die man beim TuS Ferndorf nach der Hinrunde der Handball-Regionalliga West 2009/2010 wahrscheinlich nicht gerne hört, die aber durchaus ihre Berechtigung haben. Teuer, schön, anspruchsvoll und vor allem launisch – all das trifft zu beim Club aus dem nördlichen Siegerland – zumindest für die ersten fünfzehn Spiele in der von allen als so extrem wichtig ausgelobten Qualifikationssaison zur dritten Handball-Bundesliga.

Ganz nüchtern betrachtet liegt die Mannschaft vom serbischen Coach Caslav Dincic hinter den Erwartungen zurück: Die meisten Trainer und Experten der Liga hatten den TuS vor dieser Saison als einen der heißesten Kandidaten für die ersten drei Plätze auf der Rechnung.  Fremde Erwartungen zu erfüllen war zwar nie der Stil der Ferndorfer, mit der vom FC Bayern München abgeschauten Einstellung „mia san mia“ ist man in der Vergangenheit ja nicht schlecht gefahren. Aber auch im eigenen Haus hatte man sich von der Hinserie eigentlich mehr versprochen als Platz 7.

Sieben Siege, zwei Unentschieden und sechs Niederlagen: Zu wenig für das Potenzial des Teams, da ist man sich einig. Sicher, der Abgang von Marc Stenske zu Beginn dieser Saison ist nicht leicht zu verkraften. Der Bulle am Kreis hat in der Vergangenheit für viele leichte Tore, viele gute Abwehraktionen gesorgt und war vor allem im oberen Bereich (ab 1,80m) immer anspielbar. Aber personell hatte Manager Harald Münker seine Hausaufgaben gemacht: Mit Ceven Klatt, Michael Feldmann und vor allem dem isländischen Torwart Hilmar Gudmundsson ist Qualität eingekauft worden. Alle drei hatten jedoch von September bis Dezember so ihre Probleme.

Klatt ist am Kreis den Erwartungen nicht ganz gerecht geworden - auch seinen eigenen. Letzte Saison war er mit 192 Toren einer der besten Schützen der Liga – aktuell stehen beim aus Wermelskirchen gekommenen Spieler 38 Treffer in der Liste. Erst in den letzten drei, vier Spielen beginnt Klatt sich sichtbar wohler zu fühlen, vor allem seine Abwehrarbeit  wird immer besser. Gut möglich also, dass er erst zur Rückrunde voll durchstartet.

Auch Michael Feldmann schien in den ersten Monaten seines Spiels in Ferndorf zeitweise gehemmt. Der Rückkehrer hat eigentlich alles, was einen richtig guten Mittelmann ausmacht. Seine Übersicht, seine Schnelligkeit und seine klugen Pässe hätte Trainer Caslav Dincic gerne öfter gesehen. Aber auch hier gab es Probleme: Bis Ende November hat Feldmann studienbedingt nur einmal pro Woche mit dem Team trainiert. Wie sollen da Laufwege, Abstimmungen und Automatismen klappen?

So richtig zum „Krachen“ gekommen ist auch der dritte neue Spieler nicht. Hilmar Gudmundsson, mit einem gemeinschaftlichen, finanziellen Kraftakt zu den Rot-Weißen geholt und mit großen Hoffnungen gekommen, lässt der Isländer zwar immer mal wieder seine Klasse aufblitzen, ihm fehlt aber mal eine Serie von drei, vier sehr guten Spielen in Folge. Gemessen an seinem – ohne Frage vorhandenen – Potenzial und Talent ist da noch viel Luft nach oben.

Und dann ist da noch Frieder Krause, der Nachwuchsmann im linken Rückraum. Von Eiserfeld gekommen, laborierte er den größten Teil der Hinrunde an einer Verletzung im Knie und bekam keine Einsatzzeit.

Doch auch die vorhandenen Stammspieler hatten in der Hinrunde 2009/2010 so ihre Probleme. Anders sind die zum Teil erschreckend schwankenden Leistungen beim TuS Ferndorf nicht zu erklären. Zuhause tragen die immer über 1000 Zuschauer die Mannschaft meistens zu einem – aus ergebnisorientierter Sicht – positiven Ausgang. Zwei Ausnahmen gab es: Die verdiente Niederlage gegen den OSC Rheinhausen und das seit langem schwächste Spiel in der Kreuztaler Stählerwiese: Das 22:22-Unentschieden gegen Rheinbach. Die restlichen Spiele zuhause wurden gewonnen – sogar teilweise richtig überzeugend wie gegen den damaligen Tabellenführer Altenhagen-Heepen (43:36) oder gegen Ibbenbüren (44:34). Bei dem letztgenannten Sieg gab auch Mittelmann Michael Lerscht nach 88 Wochen Verletzung sein Comeback und zeigte sofort, wie wichtig er für das Team sein kann.

Auswärts jedoch lag der Hund begraben, um es mal salopp zu formulieren. Niederlagen setzte es in Nordhemmern, Hagen, Soest, Wermelskirchen und in Schalksmühle. „Ich weiß nicht, warum wir eine Woche gut spielen, die andere Woche schlecht. Ich habe keine Erklärung dafür“, gibt Trainerfuchs Caslav Dincic unumwunden zu. Ihm und natürlich auch den mitreisenden Fans der Siegerländer gingen die inkonstanten Leistungen gehörig gegen den Strich. Auch Manager Harald Münker hatte auswärts meistens etwas zu bemängeln. „Ich muss nicht jeden Sonntag so weit fahren und mir dann so etwas ansehen. Vielleicht müssen wir dann bei einigen die Konsequenzen ziehen“, drohte der Manager nach dem schwachen Spiel in Soest (34:36). Besonders schmerzhaft dürfte die Pleite in Schalksmühle im Gedächtnis bleiben. Im Derby gegen den alten Bekannten war spieltaktisch zeitweise ein Klassenunterschied zu sehen.

Auf den Routinier Alex Orlov muss der TuS in der Rückrunde verzichten. Der Weißrusse bat um Auflösung seines Vertrages, sein Körper macht die Anforderungen in der Regionalliga mit viermal Training die Woche einfach nicht mehr mit. „Aber ich bleibe in Ferndorf“, lächelt Orlov. Er wird weiter die A-Jugend trainieren, neben seinem neuen Job als Spielertrainer des Bezirksligisten TV Olpe. Bei Ferndorf wird er schmerzlich vermisst werden. Auch wenn der Rückraumlinke wegen seiner körperlichen Probleme zuletzt fast nur noch Schlagwürfe aus dem Stand ausführen konnte, war er immer für ein wichtiges Tor gut und vor allem in der Abwehr extrem wichtig. Seine Übersicht, sein Einsatz, seine Erfahrung werden fehlen.

Und so stellt sich zur Halbzeit der Qualifikationssaison umso mehr die Frage: Quo vadis, TuS Ferndorf? Das Potenzial für das Erreichen der neuen dritten Liga hat der Club ohne Frage. Das hätte der Club auch für einen der ersten vier Plätze. Allerdings wird es jetzt auf der Zielgeraden auch für die anderen Teams in der Liga eng und jeder will einen Platz unter den ersten Zehn erkämpfen. Leichter wird die Aufgabe also auf keinen Fall. Platz 7 steht aktuell zu Buche – am Ende würde es reichen. Auch den eigenen Ansprüchen?

Am Sonntag (17 Uhr) beginnt in Lemgo die Rückrunde. Bleibt zu hoffen, dass sich der TuS in der Fremde gestärkt präsentiert. Das Handball-Publikum in Kreuztal hat es verdient.