04.09.2010

Stets ein Ort für die Bürger

Die Architektur des Gebäudes sucht ihresgleichen; über den Baumeister liegen keine Informationen vor.

uha ♦ Ein Geburtstag ist fällig und wird auch begangen: 100 Jahre Altes Feuerwehrhaus. Mitten in der Stadt, im alten Ernsdorf, präsentiert sich das schmucke und unvergleichbare dreistöckige Gebäude mit aufgesetztem Turm auch nach einem Jahrhundert noch in guter baulicher Verfassung. Es sei die typische Architektur des beginnenden 20. Jahrhunderts, so die Denkmalbeschreibung des Gebäudes, „mit roten Ziegeln, Fachwerk, Rundbögen, Spitzdächern, Sprossentüren und markantem Turm.“

In der Tat: Das 1910 erbaute Alte Feuerwehrhaus weist eine besondere und gelungene Architektur auf, die hiesige Vergleiche sucht, aber nicht findet. Wer war der Baumeister? Die alten Bauakten geben keine Auskunft. Wer könnte es wissen? Behördlicherseits abgesegnet wurde das Vorhaben seinerzeit von Amtsbaumeister Spickermann.

Die damals so heißende „Freiwillige Feuerwehr Ferndorf-Ernsdorf-Creuzthal“ brauchte ein Domizil, das allerdings hart erkämpft werden musste. War es ein taktisches Argument, dass neben dem Unterstand für die Tragkraftspritze auch ein Standort für den Totenwagen, den Amtskrankenwagen, eine Freibank – in solcher wurde seinerzeit abgewertetes Fleisch angeboten – und ein Obduktionsraum (!) gesucht wurde. Auf 15 498 Reichsmark beliefen sich die Baukosten. Im Erdgeschoss befand sich das Domizil der Feuerwehr, im Turm wurden die Schläuche getrocknet, und es gab schon früh mindestens zwei Wohnungen in den Obergeschossen.

Die Namen der zeitweiligen Bewohner sind heute noch bekannt: die Familien Wilhelm und später Rudi Becker, Fritz Sportelli, „Hoss Herta“ und vor allem August Wagener. Manche schmunzelhaften Geschichten über die Bewohner sind heute noch im Umlauf. Ende der 30er Jahre wurde der erste Anbau errichtet, nachdem ein Magirus LF 15 als erstes Motorfahrzeug im nördlichen Siegerland zusätzlichen Platz brauchte. Dieses mächtig wirkende Fahrzeug schnaufte, wie sich die Älteren noch heute erinnern, mit extrem lauten Geräuschen – weil mit luftgekühltem Motor – zu den örtlichen Löscheinsätzen im damaligen Amt Ferndorf.

Eine weitere Erweiterung des Feuerwehrhauses wurde nötig, als 1955 mit der DL 18 die erste Drehleiter in Kreuztal Einzug hielt, erster Fahrer des Opel-Blitz war Günter Traut. Über Jahrzehnte hinweg lag die Leitung der Kreuztaler Feuerwehr ab 1963 in den Händen von Horst Reh, zunächst als Gemeinde-, später als Amts- und Stadtbrandmeister. Während seiner Dienst-Ära erfolgten im Jahr 1978 Bau und Indienstnahme des neuen Kreuztaler Feuerwehr-Domizils in der Nähe des Bahnhofs.

Nach dem Umzug der Feuerwehr tastete sich eine Kulturinitiative ins alte Haus, wo sich ab 1983 der „Verein Altes Feuerwehrhaus“ etablierte. Die nachfolgenden Jahre bleiben unverwechselbar mit dem Namen von Rita Beims und ihrem Team verbunden, unter deren geschickter Regie sich ein Kleinkunstforum entwickelte, das in der weiteren Region seinesgleichen suchte. Eine Theaterszene blühte auf, eine eigene Theatergruppe formierte sich, nicht selten war Kabarett angesagt wie auch Literaturlesungen, unvergessen jene mit Max von der Grün. Blues und Jazz waren in Konzerten zu hören, auch alle anderen musikalischen Stilrichtungen fanden statt, selbst Bauchtanz und vielerlei Ausstellungen. Im Oberstock hatte sich ein Maler eingenistet, getöpfert wurde auch. Mit dem Aufblühen der neuen städtischen Kulturaktivitäten wurde es allerdings für den damals vielgelobten Verein immer enger, auch finanziell gesehen. Er musste sich Ende 2000 selbst auflösen. Solche lebendigen Zeiten hatte das ehrwürdige Feuerwehrhaus bis dahin noch nicht erlebt.

Eine gänzlich neue Zeit brach an, als Antje und Sönke Hadem im Jahr 2001 das Gebäude aus dem Besitz der Stadt Kreuztal erwerben konnte. Beide betreiben die „Senioren-Wohngruppe Haus Hadem“, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Alten Feuerwehrhaus, mit zurzeit 19 Gästebetten.

Nach einigen Jahren unterschiedlicher Nutzung des Feuerwehrhauses durch Feiern, Veranstaltungen und Café-Betrieb steht das Gebäude seit vergangenem Jahr ausschließlich den mobilen Bewohnern der Senioreneinrichtung als Tagesaufenthalt für vielfältige therapeutische Maßnahmen zur Verfügung: für gemeinsames Kochen, Basteln, Gymnastik, Lesungen, musikalische Aktivitäten, wie auch für Andachten und Gottesdienste. Drei ausgebildete Therapeutinnen engagieren sich, um die Hausbewohner – vornehmlich auch die Demenz-Kranken – zu betreuen und zu aktivem Handeln anzuregen. Das Geschehen findet in unglaublich schöner und familiärer Atmosphäre statt, mit Einrichtungsmöbeln aus der Biedermeierzeit und farbenfrohen Gemälden einiger heimischer Künstler als Dauerleihgaben. Ein Haus zum Wohlfühlen!

So hat das Alte Feuerwehrhaus in den unterschiedlichen Phasen seiner Nutzung über nun 100 Jahre hinweg als baugeschichtliches Kleinod immer im Dienst der Bürger gestanden – wie auch heute noch. Aber auch eine Geburtstagsfeier ist angesagt: Am 4. Dezember, zu adventlicher Zeit, ist „Tag der offenen Tür“ mit der Möglichkeit für alle, die derzeitige Nutzung in Augenschein zu nehmen und sich auch der interessanten Geschichte des Hauses aus den Anfängen bis heute zu erinnern.