06.01.2010

Wahrzeichen blieb erhalten

Nach Wirt benanntes Fachwerkhaus in Ernsdorf heute Teil eines Einkaufszentrums - Gasthof Peter Ernst: Wie ein geschichtsträchtiges Gebäude für die Zukunft gerüstet wurde.

uha ♦ Peter Ernst: Für die eingesessener Ernsdorfer mehr als ein Name. Dahinter steht das einstmals stattlichste Haus des Ortes, gelegen im Mittelpunkt des Dorfes und am Schnittpunkt der alten Wittgensteiner Straße und des von den Hängen des Kindelsbergs kommenden Ernsdorfbachs. Das einst schmucke Gasthaus mit Wirtschaftsgebäude, Kegelbahn parterre und großem Saal im Obergeschoss war für viele Kreuztaler Vereine Gründungs- und Versammlungsort.

Mit dem Auszug der letzten Pächterin im Jahr 1996 und durch längeren Leerstand verlor das Gebäude mehr und mehr an Aussehen und Ansehen und schien ein Fall für den Abrissbagger zu werden. Schließlich gelang es der Stadt Kreuztal, in Kooperation mit einem Investor und der benachbarten Familie Flick hier ein attraktives Naheinkaufszentrum zu konzipieren und zu gestalten, das längst die Akzeptanz einer breiten Bevölkerung gefunden hat.

Peter Ernst – wer war der Mann? Nicht der Erbauer, sondern eigentlich nur einer der zahlreichen Besitzer und Betreiber des Gebäudes, das Mitte des 17. Jahrhunderts, zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, vom Gerichtsschöffen Hermann Kaltschmidt erbaut wurde. Danach gab es sage und schreibe 15 verschiedene Gastwirte als Betreiber, ihre Namen sind lückenlos bekannt. Da der Bierausschank allein den Lebensunterhalt nicht sichern konnte, waren die Nebenberufe vielfältig: Leutnant der Landmiliz, Bäcker, Bierbrauer, Stahlfabrikant und Fuhrmann. Peter Ernst als einer der vielen war eine sehr angesehene Persönlichkeit, die als Gemeindeältester auch im Ernsdorfer Gemeinderat mit das Sagen hatte.

Der gebürtige Krombacher heiratete 1885 in die damalige Besitzerfamilie Vetter ein und führte den Gasthof und den Nebenbetrieb über lange Jahre bis 1932. Allerletzte Pächterin war Anneliese Worbs, deren leckere Frikadellen zum frisch gezapften Eichener Pils den Ernsdorfern immer besonders mundeten. Mit ihrem Auszug im Jahr 1996 ging dann die Gasthaustradition Peter Ernst nach etwa 350 Jahren bedauerlich zu Ende. Nur der Name „Peter Ernst“ ist dem Ernsdorfer Wahrzeichen über 100 Jahre bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben. Erwähnenswert ist, dass auf dem Platz vor dem Hause lange Jahre die Endstation der Obuslinie Siegen-Kreuztal war, die so genannte Obuswende.

Bereits seit vielen Jahrzehnten hatte die Außenfassade des einst stattlichen Fachwerkhauses keinen Pinselstrich mehr gesehen, der Abriss schien nur eine Frage der Zeit zu sein. Auch das Umfeld verkam zusehends. Dank gegebenem Denkmalschutz, nach vielem vergeblichen Gerangel und mancherlei Gutachten, führte schließlich die geschickte Moderation der Stadt Kreuztal zu einem glücklichen Ende. Um die Jahrtausendwende konnte das Bauunternehmen Quast den gesamten Komplex zwischen Ernsdorfstraße und neuem Busbahnhof erwerben und gar von der benachbarten Parzelle einen benötigten Teil dazu. Auflage war dabei die Verpflichtung, das Haus Peter Ernst zu erhalten und zu renovieren. Stadtbaurat Eberhard Vogel: „Wir waren und sind glücklich über diese Lösung, wenn wir uns auch einen repräsentativer wirkenden Neubau der Ladenzeile gewünscht hätten.“ Immerhin verfügt das Areal über eine ansehnlich große Zahl von Einzelhandels-Anbietern: ein Dogeriemarkt im wieder schmucken Haus Peter Ernst, daneben Apotheke und Reformhaus, Arztpraxis, Bäcker- und Fleischereiladen, eine kleine Gastronomie und ein Groß-Discounter. Auch im Gegenüber ist das Angebot abgerundet. Alles in allem: ein überzeugendes Beispiel für die geglückte Erhaltung einer Jahrhunderte alten und ortsbildprägenden Problem-Immobilie. Nur die geschickte Vernetzung beteiligter Interessenten macht auch schwierige Lösungen möglich.