19.11.2011

Kirche neu ins Gespräch bringen

Ferndorf. Pfarrer Volker Bäumer füllt ökumenisches Modellprojekt mit Leben. Die Devise heißt: „Menschen gewinnen - Lebensräume gestalten ". Dabei werden auch kirchliche Orte außerhalb der Kirchengebäude einbezogen.

nja. Volker Bäumer beschreitet Neu­land. Der Pfarrer der ev. Kirchengemeinde Ferndorf und dort zuständig für den Bezirk Kredenbach wird seinen Wirkungskreis deutlich erweitern: So wurde er von den Kreissynodalvorständen der Kirchen­kreise Siegen und Wittgenstein berufen, die Leitung des landeskirchlichen „Öku­menischen Modellprojekts" im Raum Sie­gen-Wittgenstein zu übernehmen. Inhalt­lich geht es dabei um die Aspekte „Men­schen gewinnen - Lebensräume gestalten: In der Welt zu Gast bei Freunden".

Das klingt sehr theoretisch, soll aber schon bald praktisch umgesetzt und für die Menschen spür- und erlebbar werden. Im Gespräch mit der Siegener Zeitung erläu­terte Volker Bäumer, womit er seit 1. Sep­tember und voraussichtlich bis zum Jahr 2014 die Hälfte seiner Arbeitszeit füllen wird. Zwei Schwerpunkte werden dabei gesetzt: So wird die Gestaltung von Lebensräumen vornehmlich in Wittgenstein vonstatten gehen: In der ländlichen, wald­reichen Region soll der Kredenbacher mit Kooperationspartnern eigene kirchliche Angebote in der Natur verankern. „Es gibt viele kirchliche Orte außerhalb der Kir­chengebäude", meint Bäumer und denkt dabei z. B. an die Etablierung von Pilger­wegen, aber auch von Waldkapellen - letz­teres z. B. im Bereich Hohenroth. Ob und wenn j a wo dies möglich ist - das möchte er noch im Laufe des Jahres klären.

Nicht selten fragten Paare z. B. nach der Möglichkeit, in der Natur, im Wald getraut zu werden. Dies ist - bislang - nicht mög­lich. Der Wald hat sich als Ort der Naher­holung etabliert; nun könnte er als „christ­lich-spiritueller Raum der Erholung für Körper und Seele neu entdeckt" werden. Zum Beispiel durch neue gottesdienstliche Formen, um den Lebensraum Wald als Teil der Schöpfung Gottes in den Blick zu be­kommen. Ein Traum von Pfarrer Bäumer: Jugendliche aus der heimischen Region, aus den USA und aus Afrika am Rothaar­steig zusammenführen: Unterhalten die beiden Kirchenkreise doch schließlich Partnerschaften nach Tansania und zur UCC, zur United Church of Christ. Der Be­griff „Ökumene" sei sehr weit gefasst; ge­dacht werde dabei nicht nur an ein Mitei­nander mit der kath. Kirche, sondern auch an die „innerprotestantische Ökumene".

Schwerpunkt zwei, verankert im Sie­gerland, erfordert u. a. gute Kontakte in die heimische Wirtschaft - lautet die Über­schrift doch hierbei: „Menschen gewinnen: Gestaltung unternehmerischer Verant­wortung bei uns und anderswo." Wie kann „Kirche" sich hierbei einbringen, und: Ist ein Mitwirken überhaupt erwünscht? Vol­ker Bäumer plant „Gespräche auf Augen­höhe" mit den Verantwortlichen „heimi­scher global tätiger Betriebe", von einem Geben und Nehmen. Nicht zuletzt auf­grund seines Engagements im Förderver­ein des ev. Krankenhauses Kredenbach unterhält der Kredenbacher gute freund­schaftliche Kontakte zur SMS.

Geplant sind Gesprächskreise zwi­schen kirchlichen Vertretern und Unter­nehmerinnen und Unternehmern - öffent­lich, aber auch hinter verschlossenen Tü­ren. So weiß Pfarrer Bäumer z. B. von fami­liären Problemen, die sich durch monate­lange Montagezeiten von Arbeitnehmern ergeben. In der Ehe- und Familienbera­tung des Kirchenkreises komme dies nicht selten zur Sprache. Zum einen gelte es, die Daheimgebliebenen zu unterstützen, zum anderen die Mitarbeiter z. B. in Übersee auch in der Fremde nicht allein zu lassen. Die Kirche, so Pfarrer Bäumer, könne „Kompetenz und Kontakte" anbieten, um Angebote und Hilfen für „Monteure/ Fremde auf Zeit" zu entwickeln. Gleiches gelte aber auch für ausländische Arbeit­nehmer, die lange Zeit im Siegerland weil­ten - und meist unter sich blieben. Diese Gedanken seien zwar einerseits vom Geist der Nächstenliebe geprägt, so Bäumer, „aber nicht nur": Zufriedene und moti­vierte Mitarbeiter seien schließlich auch ein wirtschaftlicher Faktor.

Der theoretische „Unterbau" gibt also die Richtung vor, welche Wege genau ein­geschlagen werden, um „Menschen zu ge­winnen" und „Lebensräume" mit christli­chem Fundament zu gestalten - diese Ent­scheidungen stehen noch aus. Pfarrer Vol­ker Bäumer: „Es liegt gewissermaßen ein unbeackertes Feld vor mir, für dessen Ge­staltung ich viele Freiräume habe. Das ist schwierig und schön zugleich." Und so freut er sich auch über jedes konstruktive Gesprächsangebot, auf jede gute Idee!

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Halbe Pfarrstelle
Die Berufung von Volker Bäumer, das „Ökumenische Modellprojekt" zu lei­ten, resultiert u. a. aus dem Umstand, dass bis 2015 im Einzugsbereich der ev. Kirchengemeinden Kreuztal eine halbe Pfarrstelle entfallen muss. Bekanntlich erfolgt die Bemessung von Pfarrstellen anhand der Anzahl an Kirchenmitglie­dern: Auf eine Pfarrstelle entfallen 2500 Mitglieder im Mittelwert. Nun haben die vier Kirchengemeinden der Region 7 a die halbe Stelle (Kredenbach) an den Kirchenkreis abgegeben, und Pfarrer Bäumer „investiert" diese Zeit in das Modellprojekt. Apropos „Finanzen": Für das komplette Modellprojekt sind 85 000 Euro veranschlagt, zum Teil finanziert über Drittmittel; gedacht wird dabei z. B. an das Regionalforstamt und heimi­sche Firmen. Da es sich um ein landes­kirchliches Modellprojekt handelt, wurde die Bereitstellung der erforderli­chen Mittel von beiden Kirchenkreisen bei der Landeskirche beantragt.