01.06.2012

Aufsteiger bringen Leistungssport und Studium unter einen Hut

Das Siegerland feiert. Nicht nur, dass die Universität 40 Jahre alt wird. Auch sportlich gesehen ist das Jahr 2012 bislang erfolgreich verlaufen. Besonders groß war die Freude im nördlichen Siegerland. Die erste Herren-Mannschaft des TuS Ferndorf ist in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Als eine von wenigen NRW-Mannschaften ist der Traditionsvereinin der Saison 2012/2013 zweitligareif. Und auch die Sportfreunde Siegen haben nach zum Teil turbulenten Jahren endlich wieder den Aufstieg in die Regionalliga geschafft.

Hinter diesen Erfolgsgeschichten auf dem Platz stehen Menschen. Die sind mit viel Engagement dabei. Und das manchmal über das normale Belastungsmaß hinaus. Deshalb sind Spieler, die beispielsweise ihren Leistungssport mit einem Job oder einem Vollzeitstudium unter einen Hut bekommen, zu Aushängeschildern in der und für die Region geworden. Leistungssport und Universität – diese räumlich nahen Optionen haben maßgeblich dazu beigetragen, junge Leute auch von außerhalb zu holen und zu halten. Denn: Vier Handballer des TuS Ferndorf studieren derzeit an der Universität Siegen oder haben ihr Studium vor geraumer Zeit beendet; ein Fußballer der Sportfreunde Siegen ist auf dem Haardter Berg eingeschrieben.

Ohne Uni vor Ort, da sind sich Kai Rottschäfer, Torhüter der Ferndorfer, Alen und Mirza Sijaric als schnelle Linksaußen und Publikumslieblinge in der Stählerwiese, Fabio Schöttler und Serkan Dalmann, als Außenverteidiger und bekanntes Siegerländer „Eigengewächs“ der Sportfreunde einig, wäre die Doppelbelastung nicht zu schultern gewesen. Für die jungen Leute haben Sport, Studium und Job in etwa die gleiche Gewichtung. Sie wollen Leistung bringen – sowohl auf dem Spielfeld als auch in Studium und Beruf. An der Universität Siegen fühlen oder fühlten sich die fünf dabei gut aufgehoben.

„Die ersten beiden Studienjahre waren wegen der Doppelbelastung schon hart. Sie haben viel Kraft gekostet“, bilanziert Serkan Dalman. Der 25-jährige, gebürtige Freudenberger, der in Kreuztal aufwuchs und seit seinem vierten Lebensjahr Fußball spielt, will Gymnasiallehrer für Geschichte und Sozialwissenschaften werden. Seit dem Wintersemester 2006/2007 ist er an der Universität Siegen immatrikuliert. Mittlerweile hat er gelernt, Vorlesungen, Seminare, Übungen, Training und Meisterschaftsspiele unter einen Hut zu bekommen. Das Leben erleichtert haben ihm Dozenten, die - stand beispielsweise ein Trainingslager an ­-, schon mal Fristverlängerungen zubilligten.

Dalman: „Das Studium in Siegen ist für mich ideal, weil der Standort der Uni und der Standort der Sportfreunde super zu vereinbaren sind.“ Auch zukünftig will er in Siegen bleiben: „Ich habe hier alles – Familie, Fußball, Uni und meine Freunde.“ Sein sportlicher Blick in die Zukunft: „Eine noch höhere Liga könnte auch anderswo attraktiv sein. Was ich in Siegen habe, ist mir aber wichtiger. Die 3. Liga will ich mit den Sportfreunden erreichen.“ An der Uni hat er zum Ziel in den nächsten drei Semestern sowohl das 1. Staatsexamen als auch im Rahmen des Zusatzstudiums „Sport und Bewegung“ die C-Trainerlizenz zu schaffen. Nebenbei betreut der 25-Jährige in der AWo-Einrichtung am Sonnenhang in Deuz Menschen mit Handicap im Sportunterricht.

Kai Rottschäfer ist im Ferndorfer Tor schon eine echte Marke. Er stammt aus Engelskirchen und wuchs in Gummersbach auf. Handball spielte er beim TV Niederseßmar und bei der HSG Marienheide/Müllenbach. Der 28-Jährige studiert Lehramt für Haupt- und Realschule in den Fächern Deutsch und Sozialwissenschaften. Auch für ihn waren die ersten Semester wirklich hart. „Die Wochenenden habe ich in Gummersbach verbracht, um Handball zu spielen.“ Die Situation entspannte sich durch den Wechsel nach Ferndorf. Die Wege zwischen Uni und Sporthalle verkürzten sich erheblich. Obwohl es in Veranstaltungen manchmal enger zugeht, weiß Kai Rottschäfer das Studium an der Universität Siegen zu schätzen: „Das hat etwas Persönliches. Man ist nicht nur eine Nummer im Register, kennt die Professoren und kann auch in Veranstaltungen mit ihnen reden.“ Nicht zuletzt das Studentenleben sagt ihm zu: „Ich muss dem Studipessimismus widersprechen. Es gibt eine gute Studentenszene, vor allem in der Alt- und Oberstadt. Vieles läuft über WG-Partys. Darauf muss man sich aber einlassen.“

Alen Sijaric steht mitten im Examen im Studiengang Bauingenieurwesen. Sein Bruder Mirza hat sein BWL-Studium bereits im vergangenen Jahr abgeschlossen und einen Job im südlichen Siegerland gefunden. Beide sind beim TuS auch in der 2. Liga dabei. Von Waldbröl ins Siegerland gekommen, sind sie jedoch erst einmal wegen des Studiums. Dass auch die sportliche Option vorhanden war, war quasi das Sahnehäubchen. Alen kann das Bauingenieurwesen empfehlen: „Der Studiengang ist nicht überlaufen. Es gibt recht kleine Lehreinheiten und einen engen Kontakt zu den Professoren.“ Mirza hat sich zwar durchs stark nachgefragte BWL-Studium kämpfen müssen, bei der Diplom-Arbeit jedoch kräftige Unterstützung seitens des betreuenden Professors erhalten. Beide fühlen sich in Siegen wohl und sind hier heimisch geworden. Mirza Sijaric: „Man hat in Siegen alles, was man auch in anderen Großstädten hat, behält aber den Überblick.“ Ein wenig bedauert er es als Student den Standort Unteres Schloss nicht mehr mitzuerleben.

„Die Universität Siegen macht Leistungssport und Studium für mich kompatibel“, meint auch Fabio Schöttler. Der 22-jährige gebürtige Kölner, der in Kreuztal aufgewachsen ist, möchte Gymnasiallehrer für die Fächer Philosophie, Geschichte und Chemie werden. Ein freiwilliges soziales Jahr, das er nach dem Abitur beim TuS Ferndorf absolvierte und während dem er Jugendgruppen und Trainingseinheiten betreute, brachte ihn auf den Berufswunsch. Die Uni vor Ort hat ihn einer schwierigen Entscheidung enthoben: „Wären die Gegebenheiten nicht so wie sie sind, wäre das Studium für mich vorgegangen.“ So kann er in der Region bleiben.

Übrigens: Die Siegener Mensa und deren kulinarische Vielfalt wissen alle Sportler zu schätzen. Mirza Sijaric zur Atmosphäre: „Die ist nicht so groß, dass man sich verlieren könnte. Man sieht Menschen auch mehrfach wieder.“