22.03.2012

Wasserrahmenrichtlinie: Europa fordert Befreiung der Ferndorf

Hilchenbach. Die von der EU geforderte Qualität können die größeren Hilchenbacher Bäche nicht aufweisen. Bis 2027 muss sich das ändern.

js - Die Ferndorf mag in einigen Abschnitten ein idyllischer Bach sein - von einem naturnahen Gewässer kann bei ihr nach wie vor keine Rede sein. 89 Querbauwerke mit Höhen von mindestens 20 cm finden sich in ihrem Gesamtverlauf, im Großen und Ganzen wird sie als stark, manchmal sogar übermäßig geschädigt eingestuft. Das geht aus den Erhebungen zur Gewässerstrukturgüte des Flüsschens hervor, die Ulrich Krumm von der Unteren Wasserbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein jetzt dem Hilchenbacher Bauausschuss vorstellte. Krumm, inzwischen Pensionär, ist Leiter der Gewässerkooperation des Kreises, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die von der EU geforderte Wasserrahmenrichtlinie in die Tat umzusetzen. Das im Dezember 2000 verabschiedete Papier verpflichtet alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zur Überwachung und Umstrukturierung ihrer Gewässer mit dem hehren Ziel, europaweit ein gleiches Umweltniveau zu erreichen.

Umsetzungsfahrpläne erarbeitet
Bis 2015 sollte das Thema abgearbeitet sein, in der Zwischenzeit aber wurden die Fristen - gute Begründungen vorausgesetzt - bis 2027 verlängert, da die geforderte Gewässergüte in drei Jahren nicht überall erreicht sein wird. Das Land NRW hat als Zwischenschritt das Programm "Lebendige Gewässer" aufgelegt und bis dieser Tage Umsetzungsfahrpläne für die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie aufstellen lassen. Zuständig waren hierfür Kooperationsverbände, die sich auf Gewässer im bestimmten Gebieten konzentrieren. Die hiesige Kooperationsgruppe, der betroffene Behörden, Verbände und Genossenschaften angehören, hat sich um die Bach- und Flussläufe in Siegerland und Wittgenstein gekümmert - eingeteilt wurde dieses 1125 km2 große Areal in die drei Planungseinheiten Obere Sieg, Eder und Lahn.

Dreisbach und Ferndorf betrachtet
Während die Umsetzungsfahrpläne für Eder und Lahn bereits stehen, wird die Einheit Obere Sieg in diesen Tagen fertiggestellt. Mit zwei Nebengewässern kommt Hilchenbach mit dieser Planungseinheit in Berührung: mit dem Dreisbach, der zumindest von seiner Quelle und in den Ortschaften Oechelhausen und Ruckersfeld das Stadtgebiet durchfließt, und mit der Ferndorf, die immerhin ihre ersten 10 km in Hilchenbach bettet.

"Erhebliche Defizite"
Für den gesamten Verlauf der Ferndorf gilt: Sie wurde im Laufe der Jahre erheblich verändert. Mehr als 30 Prozent des Bachs weisen "erhebliche strukturelle Defizite auf", so Krumm. Auch wenn bereits mehr als 45 Wiedergutmachungs-Maßnahmen ergriffen wurden, ist die Ferndorf noch nicht durchgängig für Fische. 14 Abschnitte sind nicht passierbar, neun davon in Hilchenbach. Auch der Dreisbach wird von zahlreichen unpassierbaren Querbauwerken gestört (elf allein auf Hilchenbacher Gebiet). Es gibt also noch einiges zu tun in den kommenden anderthalb Jahrzehnten. Dass die Bachläufe wieder vollkommen renaturiert werden können, ist freilich unrealistisch. Dennoch gibt es Maßnahmen, die die Qualität nachhaltig steigern sollen. Dabei setzen die Gewässerexperten auf die Verbesserung ohnehin schon guter Bachabschnitte - bei der Ferndorf sind die Bereiche zwischen Helberhausen und Hadem sowie zwischen Stift Keppel und Hillnhütten im Visier. Zudem sollen neue Trittsteine her, die für die gewünschte Durchlässigkeit sorgen. Bis die Forderungen der EU erfüllt sein werden, muss also investiert werden.

Maßnahmen werden 390.000 Euro kosten
Die Gewässerkooperation setzt laut Ulrich Krumm auf kostengünstige, aber wirkungsvolle Maßnahmen. Dennoch geht das Vorhaben ins Geld. Bis 2027 sollen in Hilchenbach rund 390.000 Euro in die Gewässerqualität investiert werden, wovon die Stadt eigen Eigenanteil von etwa 95.000 Euro schultern muss. Wie Kreuztal (Gesamtkosten: 285.000 Euro) gehöre Hilchenbach zu den kreisweiten Vorreitern in der Bach-Sanierung. Daher müssten die anderen Gemeinden und Städte des Kreises tiefer in die Tasche greifen. Netphen wird sich an einer Gesamtsumme von 3,4 Mill. Euro beteiligen müssen, Siegen an Maßnahmen im Wert von rund 3 Mill. Euro. Auch Bad Berleburg (1,6 Mill. Euro) und Wilsndorf (1,15 Mill. Euro) kommen nicht so günstig davon wie die Nordsiegerländer.