19.11.2014

Der Mann für schwierige Fälle

Kreuztal. Nicht alle Geschichten, die Helmut Nölling erzählen kann, sind so skurril wie die von dem jungen Libanesen, der sein falsches Geburtsdatum nicht mehr los wurde. „Der kam mit 12 aus der Schule“, erzählt der Kreuztaler Altbürgermeister, „der ist dann vier Jahre rumgelaufen und konnte nichts machen.“ Auch Nölling nicht — der Pass blieb, wie er war. „Am Ende habe ich den aber auch untergebracht.“ Einen von um die hundert jungen Menschen, die mit ihrer Familie in Deutschland Zuflucht suchten und schließlich in Ferndorf an Nöllings Haustür klopften. Für dieses Engagement hat ihn Staatsministerin Aydan Özoğuz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, mit der Integrationsmedaille des Bundes ausgezeichnet.

Die Ersten kamen aus Bosnien
Anfang der 1990er Jahre war es, als Flüchtlingsströme in Deutschland zusammentrafen: die aus Osteuropa, wo sich der Eiserne Vorhang geöffnet hatte, und die aus den Ländern des Bürgerkriegs auf dem Balkan. Die Otto-Flick-Halle war Notunterkunft, und Familie Nölling machte ihre Einliegerwohnung frei für eine bosnische Familie. „Als ich dann 1994 Bürgermeister wurde, fing es richtig an“, erinnert sich Nölling. Schnell wurde in den Gesprächen mit den Zugereisten klar, was am wichtigsten war: Ausbildung und Arbeit. Helmut Nölling, von Beruf Industriemeister bei SMS Siemag, hatte die Kontakte.

„Manche Fälle waren richtig schwierig“, berichtet Nölling. Und sie sind es auch heute noch. Die nach der Flucht auseinandergerissene jesidische Familie hat er nach vielem Hin und Her in Kreuztal zusammengeführt; der Junge, der schon mit sechs Jahren nach Deutschland kam, legt mit 22 endlich seine Scheu ab - zeitgleich mit dem Einstieg in den Beruf. „Ich muss ihn nicht mehr ins Rathaus begleiten, er regelt seine Angelegenheiten selbst.“ Bürgermeister Walter Kiß weiß, was die Stadt an Menschen wie Helmut Nölling hat, die Flüchtlinge ehrenamtlich durch die deutsche Bürokratie in eine auch wirtschaftlich selbstständige Existenz führen: „Als Fremder, der sich hier nicht verständigen kann, kann man manchmal schon verzweifeln.“
„Nachhaltiger Integrationserfolg“

Willi Brase weiß, woran es hapert - oft hat Helmut Nölling den SPD-Bundestagsabgeordneten in Littfeld erfolgreich um Rat und Unterstützung gebeten. Brase hat Nölling für die Integrationsmedaille vorgeschlagen. Den „sehr nachhaltigen Integrationserfolg“ dieses Engagements öffentlich zu machen, sei ihm „gerade in der derzeitigen Diskussion“ wichtig, sagt Brase. Denn ein bisschen wiederholt sich Geschichte doch. Die Flüchtlinge von heute kommen woanders her, ihre Probleme ähneln aber denen der 1990er Jahren. Immerhin, sagt Bürgermeister Kiß, kann Kreuztal noch über die damals neu errichteten Unterkünfte verfügen. Und die Bereitschaft, die Flüchtlinge willkommen zu heißen, sei heute größer als damals, als noch Abwehr vorherrschte, fügt Brase hinzu.

Die bosnische Familie von damals? Ein Neffe ist noch da, jetzt 36 und Familienvater - und stolzer Besitzer des Wohnhauses bei Nöllings gegenüber. Den Mitternachtssport in der Dreifachhalle, den Helmut Nölling den Jugendlichen vermittelt hat, gibt es heute auch noch. Gespielt wird nicht mehr Basket-, sondern Fußball. Die Jungs sind mittlerweile über 30.

35 Jahre in der Kommunalpolitik
Helmut Nölling (78) gehörte von 1979 bis 2014 dem Rat an. Von 1994 bis 1999 war der Sozialdemokrat Kreuztals letzter ehrenamtlicher Bürgermeister. Engagiert ist Nölling auch im CVJM, als Mitglied der Kreissynode sowie im Ferndorfer Dorfgemeinschaftsverein.