13.04.2014

Klavier als Boombox und Orchester

Wenn ein Klavier komische Geräusche macht - rumpelt, knattert, klirrt – dann wird normalerweise jemand gerufen, der es repariert. Der Düsseldorfer Pianist Volker Bertelmann – genannt Hauschka – fängt da erst an zu spielen. Er präpariert das Klavier so, bis es gar nicht mehr nach Klavier klingt – sondern wie eine Boombox, ein Orchester. Klebestreifen, Kinderrassel, Filzkeile, Holzstäbe, Kronkorken, Plastikmüll und Radiergummi - mit ein bisschen Plunder im Klavier entstehen plötzlich völlig neue Sounds.

Mehr als ein Instrument
"Für mich ist ein Klavier ein Möbelstück, fast ein Haus", schwärmt Hauschka. "Wenn man da sein Ohr rein hält und das Pedal runterdrückt, entsteht plötzlich ein Raum, als würde man durchs Weltall gebeamt. Und es macht dann boooom! Dann fängt das an zu atmen."

Hauschka blickt in einen offen Flügel, es sind Tischentennisbälle und kleine Rasseln auf den Saiten zu sehen

Der Blick in den Flügel

In seinem Klavier sieht es aus wie in einem unaufgeräumten Kinderzimmer. Die Idee des "prepared piano" kommt aus der Neuen Musik. John Cage, die große Referenz. Aber Hauschka ist der einzige Pianist, der sein Klavier präpariert, um dann harmonisch in Dur und Moll zu spielen.

Kleiner Helfer, großer Effekt
Hauschka zeigt uns seine Tricks. Der "Punch" in seinen Rhythmen kommt zum Beispiel von einer kleinen Trommel, die er in der Türkei gekauft hat. "Die ist eigentlich ein Kinderinstrument. Und ich lege die eigentlich nur auf die Saiten. Dadurch verändert sich aber der Sound, indem der Trommelsound noch oben drauf addiert wird. Damit kann man tolle Rhythmen spielen."

Hauschka im Interview

Hauschka im Interview

Im Klavier befindet sich auch ein kleiner Wasserflaschendeckel. Mit erstaunlicher Wirkung. "Den Deckel benutze ich gerne, weil man zum Trommel-Sound zusätzlich ein zufälliges Geraschel bekommt. Das entwickelt dann so eine Art eigenen Rhythmus", lacht Hauschka. "Der Rhythmus geht über das hinaus, was ich eigentlich spiele. Und das macht unglaublich viel Spaß, weil das nicht ich bin, sondern ein Teil, das sich von alleine bewegt."

Lust auf neue Experimente
Hauschka ist ein notorischer Abbrecher: Klavierunterricht – abgebrochen, Medizinstudium – abgebrochen, BWL-Studium… na, raten Sie mal. Mit seinem Cousin hatte er mal eine erfolgreiche HipHop-Band, mit großem Platten-Deal, Vorgruppe der Fantastischen Vier. Aber auch das war nicht für die Ewigkeit.

Aufgewachsen ist Hauschka auf dem Land – in Ferndorf. Ab neun Klavier-Unterricht, mit elf erste Experimente. "Ich habe mir zwei Schachteln Heftzwecken besorgt und habe alle 88 Hämmer mit Heftzwecken bestückt. Dadurch wurde das Klavier zu einer Art Cembalo. Das klingt sehr metallisch. Und das gefiel mir sehr gut. Aber das war natürlich für mich eine einmalige Übung. Als das dann meine Eltern herausgefunden haben, kam das nicht so gut an, weil das natürlich in den Filz reingedengelt wird." Der Vater ist Prokurist, die Mutter Hausfrau. Sie wollen was Solides für den Jungen. Heute ist Hauschka 47 und dengelt immer noch in Filz, etwas erfolgreicher. Ausverkaufte Konzerte in Amerika, ein Album mit Geigerin Hilary Hahn, Filmmusik für Dorris Dörrie. Die Restmüll-Verwertung ist beim ihm Musik. Das Klavier atmet auf. Die bürgerliche Ordnung ist wieder hergestellt.

DISKOGRAFIE (Auswahl)
"Abandoned City” (City Slang, 2014)
"Silfra" (mit Hilary Hahn) (Deutsche Grammophon, 2012)
"Salon des Amateurs Remix Album” (Fat Cat Records, 2012)
"Salon des Amateurs” (Fat Cat Records, 2011)
"Foreign Landscapes” (Fat Cat Records, 2010)
"Ferndorf” (Fat Cat Records, 2008)
"Room to Expand” (Fat Cat Records, 2007)
"Substantial” (Karaoke Kalk, 2004)

KONZERTE 2014
03.05.  Münster
25.05.  Düsseldorf
21.08.  Köln
24.10.  Berlin