03.12.2004

Rindvieh und Arbeitsdienst

Um 1960 fuhren noch richtige Personenzüge mit Dampfloks durch das Ferndorftal. (WR-Repro)

Kreuztal-Ferndorf. Der Heimatverein Ferndorf stellt sein zweites Buch zur Dorfgeschichte vor - wieder eine Sammlung von Aufsätzen über Wissenswertes aus der Geschichte Ferndorfs. Den ersten Themenschwerpunkts setzt Dr. Harald Hockamp mit seinem Beitrag über das Reicharbeitsdienstlager. Der "Freiwillige Arbeitsdienst" als Mittel zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit war noch per Notverordnung in der Weimarer Republik entstanden und baute auf einer regelrechten Arbeitslagerbewegung auf - auch das Freibad und die Jugendherberge in Ferndorf waren Ergebnisse heute wohl so genannter "Workcamps" von Jugendlichen. 1927 schon gab es in Ferndorf erste Überlegungen zu einem Arbeitsdienstlager, 1934 schließlich wurde mit dem Bau in Irlenhecken unterhalb der heutigen Kindelsbergstraße begonnen. Die Nazis machten den "Reicharbeitsdienst" zur Pflicht.

Auch ein dritter Band wird kommen

Dr. Hockamp hat nicht nur in Archiven recherchiert, sondern auch Zeitzeugen befragen können, hat einiges über den alltäglichen Ablauf in der schließlich quasi-militärischen Einrichtung erfahren. Dass mancher positive Erinnerungen an seine eigene Zeit im Arbeitsdienst behalten hat, bewertet der Chronist distanziert. Es dürfe "nicht übersehen werden, dass der Reichsarbeitsdienst ein möglicherweise kleines, aber durchaus wichtiges Rädchen im Militärgetriebe der Nationalsozialisten und damit auch mitverantwortlich war für die Gräuel und die Barbarei, die die Nationalsozialisten über die Welt brachten."

Die Beiträge zur Ferndorfer Ortsgeschichte entstehen in einer Arbeitsgruppe, die sich regelmäßig trifft und die auch schon Themen für einen dritten Band gesammelt hat. Wie groß das noch aufzuarbeitende Spektrum ist, zeigt nach dem ersten nun auch der zweite Band der "Ferndorfer Dorfchronik", die ihren - was die historische Einordnung von Krieg und Nazi-Regime angeht - eher unseligen Vorgänger von 1967 bald vergessen lässt.

Geschichte bis in die Gegenwart

So berichtet Fritz Hein über den Festumzug zum Jubiläum des Ferndorfer Rindvieh-Versicherungsvereins von 1936, Katrin Stein schreibt die Geschichte des Segelfliegens und damit auch des Fliegerheims in Ferndorf. Werner Schäfer beschreibt die beiden Waldlehrpfade und führt mit dem Waldschadenslehrpfad auch schon direkt in die Gegenwart. Der pensionierte Förster Kurt Görzel schildert am Beispiel der Ferndorfer Waldgenossenschaft, wie der Niederwald ("Hauberg") in Hochwald umgeformt wurde. Über die Eisenbahn in Ferndorf und den Bahnhof, der übrigens baugleich mit dem in Vormwald ist, hat Dietmar Stahlschmidt geforscht. Erhard Krämer gibt einen Bericht über die christliche Missionierung Ferndorfs und die Geschichte der Kirche. Der letzte Aufsatz des Bandes ist ein Porträt des Neubaugebietes Rennwiese.

Das fest gebundene Buch hat 333 Seiten und viele, zum Teil farbige Bilder. Es kostet 32 E und ist erhältlich im örtlichen Buchhandel sowie im Rewe-Markt Stenger.