01.09.2007

Wie das Wasser auf den Kindelsberg gelangt

Von der Waldesruh wird das kostbare Nass zum Turmgasthaus gepumpt / Einst brachten Ochsenkarren die Fässer

ph Ferndorf. Von der Waldesruh oberhalb von Ferndorf (549 m) bis hinauf zum Kindelsberg (618 m) ist es eigentlich nur ein "Katzensprung": Luftlinie 375 Meter bei einem Höhenunterschied von 69 Metern. Der 100 Jahre alte Kindelsberg-Turm mit seiner Aussichts-Plattform und seiner Gastronomie ist Wahrzeichen und beliebtes Wanderziel zugleich. Doch Menschen sind, wo gegessen und getrunken wird, da muss auch gespült und gereinigt werden. Aber wie gelangt das "Felsquellwasser" bergauf bis zum Bergrestaurant?

Aus eigener Kraft nicht, das steht fest. Einer, der weiß wie, ist Rolf Crevecoeur. Der Ferndorfer Elektro-, Sanitär- und Heizungsfachbetrieb Crevecoeur & Schmidt ist seit jeher eng mit der Wasserversorgung des Kindelsbergs vertraut und verbunden. Der 69-Jährige: "Mein Großvater, Adolf Crevecoeur, fand an einer einsamen Schürfhalde ein schönes Plätzchen, baute dort im Juli 1908 eine Hütte und nannte sie Waldesruh.

Das Wasser zum Trinken und Kaffeekochen nahm man aus der Rösche des Stollens ,Gottessegen', dessen Ursprünge bis weit ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Da man oberhalb der Waldesruh auch eine Quelle entdeckte, entschloss man sich, einen Springbrunnen mit Laube zu errichten." Dies geschah im Juni 1919 im Hand- und Spanndienst durch Rolf Crevecoeurs Großvater und vier Freunde.

Von der Waldesruh aus - wie auch von der Littfelder Seite - wurde seinerzeit das kostbare Nass zum Kindelsberg hinauf transportiert. Nicht minder mühselig gestaltete sich die Wasserversorgung während des Rast- und Gaststättenanbaus durch den SGV-Bezirk Siegerland Anfang der 50er Jahre (Fertigstellung: August 1953). Ob für Erbsensuppe oder Kaffee - in Kesseln und Kanistern wurde das Trinkwasser aus einer Quelle bei der Waldesruh oder vom Littfelder Hang herbeigeschafft.

Gravierende Veränderungen folgten Mitte jenes Jahrzehnts mit der Errichtung einer Relaisstation durch die Post und die damit verbundene Verlegung eines Stromkabels durch das RWE. Diese Maßnahme nutzte der SGV, um in Eigenleistung eine Strom- und Wasserleitung zwischen dem Kindelsberg und dem Ernsdorfer Stollen oberhalb der Waldesruh zu installieren. Vorausgegangen waren intensive Untersuchungen sowie eine Aufwältigung und Begehung des unterirdischen Ganges auf einer Länge von fast 80 Metern. Als Aufwältigung bezeichnet man die Wiederherstellung alter, zu Bruch gegangener Grubenräume, um sie erneut nutzbar zu machen.

Fortan diente das Mundloch des Ernsdorfer Stollens als Pumpenhäuschen, von wo aus das Wasser in einen Tank auf dem Dachboden der Kindelsberg-Raststätte befördert wurde. Zugleich versorgte der Stollen dank des Gefälles auf ganz natürliche Weise den Springbrunnen der Waldesruh. Mit der neuerlichen Erweiterung Ende der 60er Jahre verlor das Rasthaus endgültig seinen ursprünglichen Hüttencharakter und entwickelte sich zum immer beliebteren Anziehungspunkt für Jung und Alt. Rechtzeitig zum Deutschen Wandertag am 1. April 1971 war der Anbau fertiggestellt.

Begleiterscheinung des regen Wanderbetriebs: Bisweilen wurde das Wasser im Gasthaus knapp. Rolf Crevecoeur erinnert sich: Es ist schon vorgekommen, dass die Brauerei mit Wassertanks anrücken musste." Nach der Aufwältigung des Stollens Gottessegen" durch ihn selbst, seinen Vater Arthur und Vetter Dieter Schmidt entpuppte sich die unterirdische Anlage als beträchtliches Wasserreservoir. Die Besitzer der Waldesruh machten den SGV auf diesen Umstand aufmerksam. Folge: Nach einem Beschluss vom 9. September 1976 hoben SGVer aus Littfeld, Krombach und Ferndorf mit vereinten Kräften eine Trasse zwischen unterem und oberem Stollen aus. Noch im gleichen Jahr wurden Elektro- und Wasserleitung verlegt. Am 19. Februar 1977 stand die Verbindung, im März ging die Pumpenanlage in Betrieb. Die ausreichende Wasserzufuhr zum Siegerländer Wahrzeichen war gesichert.

Nachdem Unbekannte im April 1996 das Mundloch des Stollens Gottessegen" aufgebrochen und durch Steinschlag oder -würfe die rund 20 Jahre alte Pumpe schachmatt gesetzt hatten, sorgte das Team der Waldesruh im engen Zusammenwirken mit Freunden, SGVern, Freiwilliger Feuerwehr Buschhütten sowie dem Technischen Hilfswerk (THW) unter Leitung von Dieter Kessler in Windeseile für Ersatz - eine schweißtreibende und angesichts der Schachttiefe riskante Arbeit. Tatsächlich gelang es Tauchern, die abgerissene, alte Pumpe aus Bronzeguss wieder ans Tageslicht zu befördern. Sie steht heute in der Werkstatt der Firma Crevecoeur & Schmidt. Kräftig mit an packten damals auch die beiden Brüder Stefan und Roger Schmidt, heute 42 bzw. 39 Jahre alt und Geschäftsführer der Crevecoeur & Schmidt GmbH.

Durchschnittlich ca. 1000 Kubikmeter eisenhaltiges Wasser fördern die Pumpen Jahr für Jahr von der Waldesruh auf den Kindelsberg. 16 bar beträgt der Betriebsdruck unten. Oben beim Turm sind es noch maximal 4 bar. Zwischen "Gottessegen" und Ernsdorfer Stollen - vom darunter liegenden Wanderweg nicht zu erkennen - befindet sich ein schmucker Weiher, der als Löschteich und Überlauf zugleich dient.

Den Ferndorfer Handwerksbetrieb rief Adolf Crevecoeur im Jahr 1872 ins Leben. Aus ihm ging 1996 Crevecoeur & Schmidt hervor. Die Geschichte des Familienbetriebs ist - im Zusammenspiel mit anderen Beteiligten bzw. Verantwortlichen und nicht selten auf ehrenamtlicher Basis - eng verbunden mit der Wasserversorgung des Kindelsbergs.