05.07.2008

Viel Lärm um nichts? - Kreuztal - EU fordert kommunale Lärmaktionspläne

»Deutsches Umweltrecht viel strenger« In der Kindelsbergkommune muss an mehreren Hauptverkehrsachsen genauer hingeschaut werden.

nja –Wer an den Hauptverkehrsadern der Stadt Kreuztal wohnt, wird eine konkrete Vorstellung davon haben, was sich hinter dem Wort »Umgebungslärm« verbirgt. Wo im Stadtgebiet ist es wie laut? Warum ist dies so? Wen stört der Krach und wie kann ihm begegnet werden? Dies sind Fragen, die zurzeit alle Kommunen im Land Nordrhein-Westfalen beschäftigen: Sie sind gehalten, so genannte Lärmaktionspläne aufzustellen (siehe auch gesonderte Meldung auf dieser Seite). Die Siegener Zeitung sprach mit der Kreuztaler Stadtplanerin Petra Kramer über das Prozedere, aber auch über Sinn und Zweck sowie die Chancen dieser europaweiten Erhebung.

Im Fokus der Untersuchung: so genannter »Umgebungslärm«, definiert als »unerwünschte oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien, die durch Aktivitäten von Menschen verursacht werden« – einschließlich des Lärms von Verkehrsmitteln. Seit März liegt der Kindelsbergkommune die so genannte Lärmkarte, erhoben vom Land NRW, vor, mit deren Hilfe nun die Lärmschwerpunkte näher unter die Lupe genommen werden müssen. So viel vorweg: Die Werte von 70 bzw. 60 dB(A), die Handlungsbedarf notwendig machen, wurden an mehreren Stellen überschritten – an der Hagener Straße (B54) zwischen Hauptkreuzung und Abzweigung Ulmenweg, auf der HTS, wobei das »neue« Teilstück bis zur Krombacher Höhe und somit auch deren Auswirkungen auf den Verkehr auf den übrigen Straßen in der Untersuchung noch gar nicht berücksichtigt wurde, auf der L908 im Bereich der HTS-Anschlussstelle Kreuztal sowie – wenig überraschend – durchgängig auf der Marburger Straße (B508). Die Betroffenheit von Menschen und Gebäuden muss aber erst noch näher untersucht werden. Ab etwa 75 dB(A) besteht Gefahr für die Gesundheit. Schutzwürdige Nutzungen, gemeint sind z.B. Wohnungen, bestehen an B508 und B54; die Gesamtfläche der lärmbelasteten Gebiete innerhalb Kreuztals erstreckt sich über eine Fläche von 2,3 Quadratkilometern.

Betroffen sind in schutzwürdigen Zonen, die mit großem Lärm belastet sind, 400 Wohnungen (mehr als 55 dB(A)), darunter 130 Wohnungen mit mehr als 65 dB(A) in 24 Stunden, sowie zwei Schulgebäude – Gesamtschule und Gymnasium – mit mehr als 55 dB(A). 95 Kreuztaler bewohnen Gebäude mit 70 bis 75 dB(A) Belastung, 212 leben in Häusern mit 65 bis 70 dB(A), und 242 in Gebäuden, für die 60 bis 65 dB(A) gemessen wurden – für 126 von ihnen gilt dies auch nachts.

Die Lärmkartierung, so erläuterte Petra Kramer, sei eine Bestandserfassung der »nackten Zahlen«, jedoch keine Analyse. Diese müsse nun vor Ort von den Kommunen erfolgen. Der Lärmaktionsplan muss aufgestellt, die Lärmauswirkungen dazu müssen dokumentiert werden. Das ist der einfachere Part der Aufgabe. Wie aber kann dem Lärm begegnet werden? Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es? Da fallen Petra Kramer zunächst Schallschutzfenster ein. Im Zuge von Sanierungen können beim Landesbetrieb Straßen NRW hierfür auch Förderanträge gestellt werden. »Die vom Land empfohlenen Maßnahmen beinhalten für Kreuztal kaum Realisierbares«, so Kramer, die leicht resigniert hinzufügt: »Und was übrig bleibt, wissen wir heute schon weitgehend.« Von einer Minderung bzw. Verlagerung des Verkehrs sei die Rede: »Hier würde auf Kreuztal bezogen allein der Bau der Südumgehung greifen.« Bei einer Senkung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit »bliebe der Verkehr ja noch länger in den Orten. Das käme nur nachts in Betracht«. Eine Reduzierung des Schwerlastverkehrs könne nicht beeinflusst werden, die Ampelschaltung sei bereits optimiert – und das Auftragen so genannten Flüsterasphalts mindere zwar Geräusche, müsse aber etwa alle sieben Jahre wiederholt werden: »Die Ferndorfer z.B. werden wenig begeistert sein, wenn wir ihnen alle paar Jahre die Ortsdurchfahrt aufreißen.«

Stichwort »ruhige Gebiete«: Könnten hierbei nicht Bürger, z.B. Befürworter des natürlichen Erhalts des Mattenbachtals bei Buschhütten, im Verfahren eine Beibehaltung als Ruhezone beantragen? »Das ist natürlich möglich«, sagt Petra Kramer und weist auf die ausdrücklich gewollte Einbeziehung der Bürger hin. Doch unterschiedliche Stellungnahmen und Belange würden natürlich sodann von den politischen Gremien abgewägt. In diese Abwägung müsse u.a. auch die aktuelle Lärmbelastung für die Bewohner des Ferndorftals mit einfließen. Kramer hegt Zweifel am Sinn des Lärmaktionsplans hier vor Ort. Und das hat vor allem einen Grund: »Wir haben bereits ein gut funktionierendes Umweltrecht, das strenger ist als all das, was in der EU-Umgebungslärmrichtlinie gefordert wird…«