27.02.2009

Jungfernfahrt mit rasanten 15 Stundenkilometern

125 Jahre Eisenbahnstrecke Kreuztal-Hilchenbach / Zunächst gefährlicher Streckenverlauf

Siegerland. Kreuztal vor 125 Jahren: Der 1. März 1884 wird zu einem wahrlich bedeutenden Datum. Zum ersten Mal fährt ein Zug auf der neuen Eisenbahnstrecke zwischen Kreuztal und Hilchenbach.

In Kreuztal (damalige Schreibweise: Creuzthal) beginnt die Reise, der Zug hält in Stift Keppel, Dahlbruch, Ferndorf und schließlich in Kreuztal. Fast eine Stunde dauert die Fahrt, der Zug erreicht eine Geschwindigkeit von 15 Stundenkilometern. In den Dörfern erklingen Böllerschüsse. Auf die Reisenden wartet anschließend ein „Festessen in den Räumen des Herrn Gastwirth Hoffmann”.

Ein großer Tag für die Region, für die ansässige Industrie. Seit Jahren hatte es Anstrengungen gegeben, endlich eine Zugverbindung zu errichten — lange Zeit vergeblich. Die Dahlbrucher Fabrikanten Gebrüder Klein setzten sich bereits in den 70-er Jahren dieses Jahrhunderts für den Bau einer Eisenbahnstrecke ein und ließen das gesamte Frachtaufkommen dieser Gegend erfassen. 1876 wurde die Strecke vermessen und mit Kosten von 950 000 Mark gerechnet.

Des Kaisers Unterschrift

Doch der Bau der Strecke ließ auf sich warten. Erst nachdem in Hilchenbach ein Kommitee gegründet wurde, welches dann 1880 eine Aktiengesellschaft unter dem Namen „Creuzthal-Hilchenbacher Eisenbahngesellschaft” ins Leben rief, ging es voran. Die Gesellschaft war fest entschlossen, die Bahn zu bauen, wenn nötig auch als Privatbahn. Um dies zu vermeiden, schloss die Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft (BMEG) einen Vertrag mit dem Hilchenbacher Kommitee und verpflichtete sich, die Strecke zu errichten. Die Baugenehmigung wurde schließlich am 31. August 1881 in Berlin von Kaiser Wilhelm I. unterzeichnet.

Die Bahnverbindung brachte die ansässige Industrie endlich an das Schienennetz. „Dort, wo es noch keine Fabriken gab, wie in Ferndorf, sind sie dann schnell entstanden”, erklärt der Dahlbrucher Horst Grafe, der sich seit einigen Jahren mit der Eisenbahn-Geschichte auseinandergesetzt hat. Der Personenverkehr spielte in den Anfangsjahren der Strecke im Vergleich zum Güterverkehr eine eher untergeordnete Rolle. In Hilchenbach, Ferndorf und Dahlbruch wurden Bahnhöfe errichtet, in Lohe und Allagen Verladestellen und in Stift Keppel eine Haltestelle.

Doch nicht überall stieß der neue Schienenverkehr auf Gegenliebe. Leidtragende der neuen Eisenbahnlinie waren zum Beispiel die Postkutschen, die bis dato für den Personenverkehr über weitere Strecken sorgten. Der Güterverkehr hatte sich hauptsächlich auf Pferdefuhrwerke gestützt. „Gegner hat es immer gegeben”, erklärt Gerhard Moll, der in Hilchenbach lebt und zu den Experten in Sachen regionaler Eisenbahngeschichte gehört.

Riskante Kutschenfahrt

Auch die Streckenführung der neuen Bahnlinie verlief nicht optimal: Zwischen Ferndorf und Hilchenbach verliefen die Gleise direkt entlang der Provinzialstraße, auch Chaussee genannt. Zu welchen Problemen das führte, zeigt der Bericht eines Tagebuchs der damaligen Zeit, in der ein Mädchen über die Kutschenfahrt von Ferndorf nach Dahlbruch schreibt: „O weh, wenn uns der Zug begegnete oder gar von hinten kam. Die Pferde nahmen das sehr übel. Entweder sausten sie los und der Kutscher hatte Mühe, sie wieder in Ruhe zu bringen, oder sie stiegen auf die Hinterbeine. Oft hieß es vorher, aussteigen oder man fuhr, wenn möglich und nötig, in einen Seitenweg hinein.”

Feuerfeste Dächer

Für Häuser mit Strohdächern, die an der Strecke lagen, bestand eine weitere Gefahr: Funken und glühende Kohlen konnten aus dem Schornstein der Lokomotive geschleudert werden, so dass einige Dächer abgedeckt und durch feuerfeste Varianten ersetzt werden mussten.

Diese Probleme führten zu Überlegungen, die Strecke an anderer Stelle neu zu verlegen. Ab 1908 begannen die Planungen, die Kosten wurden auf 2,4 Millionen Mark geschätzt. Der Abschnitt von Kreuztal nach Ferndorf blieb bestehen, für die weitere Strecke wurde eine Trasse an der südlichen Hanglage des Ferndorftales vorgesehen. In Dahlbruch und Stift Keppel mussten neue Bahnhofsgebäude entstehen. 1915 wurde der neue Abschnitt in Betrieb genommen, auf Feierlichkeiten diesmal jedoch aufgrund des 1. Weltkrieges verzichtet.