26.08.2009

"Meisterschaft erst in zwei Jahren"

Dincic tritt auf die Euphoriebremse: 
„Können oben mitspielen“ / Samstag im DHB-Pokal

Handball-Erfolgscoach sieht Abwehr noch nicht zweitliga-reif.

geo ♦ Die Spieler, mit denen sich der TuS Ferndorf im Frühsommer für die anstehende Saison in der Handball-Regionalliga West verstärkte, haben in den letzten Wochen ungeahnte Emotionen bei den Handballfreunden im nördlichen Siegerland geweckt. Seit einigen Wochen spricht keiner mehr von der (Pflicht-)Qualifikation für die künftig nur noch viergleisige Regionalliga. Plötzlich ist allerorten vom „ganz großen Wurf“ die Rede, wird nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand vom Aufstieg in die 2. Bundesliga philosophiert.

Um so überraschender kommt es nun, dass Trainer Caslav Dincic wenige Tage vor dem ersten Pflichtspiel der Saison auf die Euphoriebremse tritt. Ausgerechnet Dincic also, der öffentlich keine Gelegenheit auslässt, um das Maximum von sich und seinen Spielern zu fordern und jüngst beim offiziellen Mannschafts-Fototermin kess verkündete: „Ich will Erster werden!“

Doch vor der Partie der 1. DHB-Pokal-Runde am Samstag um 19.30 Uhr gegen den hessischen Süd-Regionalligisten TV Groß-Umstadt (siehe unten) rudert Dincic etwas zurück: „Die Leute vergessen, dass uns in der Abwehr künftig Marc Stenske fehlt. Das war unser wichtigster Spieler in der 6-0-Deckung. Da müssen wir uns jetzt umorganisieren, denn für 6-0-Deckung fehlen uns in der Abwehr die richtigen Spieler. Erst wenn wir uns auch in der Abwehr noch verstärken, können wir über alles reden. Ich denke, dass wir in zwei Jahren über die 2. Bundesliga reden werden.“

Wer nun Caslav Dincic von der Zuschauerposition auf der Tribüne aus nur als lautstark kritisierenden, zuweilen polternden Trainer einschätzt, blickt etwas zu kurz. Denn der bald 49-Jährige ist sehr wohl auch ein schlauer Fuchs. Wer sich in diesen Tagen nämlich länger mit ihm unterhält, weiß auch, dass in der am 5. September beginnenden Saison die Latte höher hängen wird als der zugegeben schon respektable 5. Platz in der vergangenen Aufstiegssaison. Und dass er mit seinem Team auch bei der Titelvergabe zumindest ein Wörtchen mitreden will - darauf kann die Liga-Konkurrenz „Gift nehmen“!

Der Kader wurde gezielt verstärkt. Kreisläufer Ceven Klatt vom Vizemeister TuS Wermelskirchen (vormals: Niederwermelskirchen) war mit 192 Treffern bester Kreisläufer der Regionalliga West. Er ist beweglich und schnell und soll im künftig offensiver ausgerichteten Abwehrsystem die vorgerückte Position übernehmen. Als Spielmacher holten die Ferndorfer Michael Feldmann zurück. Der hat nach seinem ersten Ferndorfer Gastspiel Zweitliga-Erfahrung gesammelt und wird von Dincic hoch eingestuft: „Einfach zu spielen, ist schwer. Michael spielt einfach. Er kennt alle Spielzüge und setzt meine Vorstellungen 1 zu 1 um.“ Einzig Schulterprobleme hemmen den angehenden Pädagogen noch, der aber auf jeden Fall der neue Führungsspieler der Mannschaft werden soll. Dritter im Bunde ist der talentierte Frieder Krause. Über den hoch aufgeschossenen Rechtshänder urteilt der Coach: „Er ist ehrgeizig und trainiert sehr gut. Mit ein bisschen Geduld kann er bei uns in zwei Jahren ein Leistungsträger sein.“ Und dann wäre da noch Torhüter Hilmar Gudmundsson. Der isländische Erstliga-Keeper war bei seinem Stammverein HF Hafnarjördur durch die Verpflichtung eines 32-jährigen Routiniers ins zweite Glied gedrängt worden und will nun sein Glück in Deutschland versuchen. Gudmundsson ist beileibe nicht der einzige „Nordmann“ im deutschen Profi-Handball, und auch ihm eilen menschlich wie sportliche einige Vorschusslorbeeren voraus. Wenn Dincic sich nämlich erhofft, in der neuen Saison im Durchschnitt „fünf bis sechs Tore weniger pro Spiel“ zu kassieren, ist auch das eine versteckte Kampfansage an die Liga – dank Gudmundsson?

„Wir werden uns auch mannschaftlich entwickeln. Alen Sijaric auf Linksaußen ist ein echter Gewinner der Vorbereitung. Wir werden künftig jede Woche täglich von Montag bis Donnerstag trainieren.“ Das alles sind aktuelle Zitate Dincics aus dieser Woche. Liest man diese alle richtig, gibt Dincic dann nicht doch ein wenig den „Wolf im Schafspelz“, wenn er den Meistertitel erst „in zwei Jahren“ in Ferndorf ankommen sieht? Die Saison wird es zeigen, Ferndorf fehlen in der Tat noch die „Bullen“ in der Abwehr, wie sie jeder Zweitligist heute in seinen Reihen hat. Aber in einer Handball-Saison kann viel passieren – manchmal hat man sogar Glück!

 

Das Pokal-Ziel ist die 2. Runde

Gegner in der 1. DHB-Pokal-Runde am Samstagabend (19.30 Uhr/Saison-Dauerkarten gelten nicht) ist der TV GroßUmstadt, östlich von Darmstadt gelegen. Gegen die Hessen, im Vorjahr Sechster in der Regionalliga Süd, möchte man beim TuS Ferndorf wie im Vorjahr in die 2. Runde gelangen, in der erstmals auch die Bundesliga-Clubs im Lostopf landen. Voriges Jahr kam man per Freilos in die 2. Runde und zog sich dann gegen den späteren Bundesliga Aufsteiger TuRu Düsseldorf achtbar aus der Affäre. Die 2. Runde wird mittwochs am 23. September gespielt.

Groß-Umstadt sei eine junge Mannschaft, die ebenfalls schnellen Handball bevorzuge. Man habe sich das Team angeschaut und auch Videos studiert, so Ferndorfs Trainer Caslav Dincic. Allerdings sei die Vorbereitungsphase des eigenen Teams auf das erste Meisterschaftsspiel ausgerichtet. Man müsse daher in dieser Woche noch an den Laufwegen arbeiten und die Spritzigkeit hinbekommen.

Gegner TV Groß-Umstadt, dessen Saisonziel die Qualifikation für die viergleisige Regionalliga ist, plagen aktuell einige personelle Probleme. So verletzten sich im Team von Trainer Ralf Ludwig Torhüter Marcel Bolling und die Feldspieler Tilmann Werner und Christian Scholz.