26.04.2010

Derivatgeschäfte: Kreuztal droht ein Finanzdisaster

Auch die Stadt Kreuztal ist vor fünf Jahren den Verlockungen des Geldes erlegen: Auf Empfehlung von Finanzfachleuten ließ sich die Kommune auf Derivatgeschäfte ein – in einer Größenordnung, die heute noch manchem Stadtverordneten Schwindelgefühle verursacht. Inzwischen hat die Stadt erheblich zurückgerudert und steckt „nur noch” mit 14 Millionen Euro in diesen Optimierungsgeschäften, mit denen auf Kursschwankungen oder Zinsentwicklungen „gewettet” wird.

In einem Fall geht es um die Kursschwankungen zwischen Euro und Schweizer Franken (Volumen: sechs Mio. Euro), in einem weiteren um die Differenzen zwischen Zwei- und Zehnjahres-Zinssatz (zwei Mio. Euro). Allerdings bereitet einer dieser Verträge, ein Stufen-Swap mit Zinserwartungen von 4,25 Prozent, der über sechs Millionen Euro abgeschlossen wurde und noch bis 2017 läuft, der Stadt große Sorgen. Die Zinsen haben sich rückläufig entwickelt.

Zinswetten: Grüne und SPD hatten Bedenken 
Es könnten „negative Zahlungen” auf Kreuztal zukommen, die dieses Jahr 300 000 Euro betragen und in den sechs Folgejahren weitere drei Millionen Euro, davon allein 800 000 Euro im Jahr 2013. Die bislang erzielten Gewinne von 650 000 Euro wären in nur zwei Jahren aufgebraucht, und danach würde die Stadt direkt belastet.

Dem Haupt- und Finanzausschuss lag deshalb in nicht öffentlicher Sitzung eine mehrgliedrige Empfehlung der Verwaltung vor, mittelfristig von diesen Geschäften Abschied zu nehmen. Die Fraktionen indessen wollten nicht in diesem kleinen Kreis entscheiden, sondern die Gesamtfraktionen beteiligen. So wird das Thema in der Sitzung am 6.Mai hinter verschlossenen Türen weiter diskutiert.

SPD und Grüne fühlen sich allerdings nicht unmittelbar verantwortlich, weil sie beim Start der Zinswetten im Jahr 2005 schon ihre Skepsis vorgebracht hatten. CDU, FDP und UWG hielten seinerzeit noch die Ratsmehrheit. Jetzt geht es darum, zu retten, was noch zu retten ist. Deshalb schlägt die Verwaltung vor, dass entweder künftig ganz auf den Neuabschluss von Zinsoptimierungsgeschäften verzichtet wird, oder Neuabschlüsse – durchaus mit neuen Risiken – nur in begrenztem Umfang getätigt werden. Gewinne daraus würden die Zahlungsverpflichtungen für Kreuztal verhindern oder kompensieren. Dritte Möglichkeit ist es, nur noch Zinsgeschäfte in den 2005 und 2007 beschlossenen „Wertgrenzen” abzuschließen.

Stadt und Fraktionen nehmen heute Stellung 
Rund ein Drittel der Ratsmitglieder hat mit all diesen Geschäften nie etwas zu tun gehabt, weil sie erst seit Oktober ihr Mandat übernommen haben. Aber auch sie müssen nun Verantwortung übernehmen für ein weit verbreitetes Gebaren, das landauf landab zahlreiche Kommunen praktiziert und teuer bezahlt haben.

Auch der neue Bürgermeister Walter Kiß (SPD) hat ein Erbe angetreten, das er in einer schwierigen Haushaltslage zu bewältigen hat – unabhängig von Mindereinnahmen und aktuellen Herausforderungen wie das im Kreisjugendamt entstandene Defizit, bei dem Kreuztal nach dem Willen des Landrats (wie berichtet) auch mit 900 000 Euro einspringen soll. Für den heutigen Montag ist eine Pressekonferenz anberaumt, in der Bürgermeister Walter Kiß und die Fraktionsvorsitzenden ihr weiteres Vorgehen in Sachen Derivatgeschäften darlegen wollen.