30.07.2011

Ferndorfer Branntwein

Pastor sah das Ansehen der lutherischen Kirche gefährdet

sz Ferndorf. Im Buchladen des Fran­ziskaner-Klosters Kreuzberg in der frän­kischen Rhön fand ich vor zwei Jahren in einer Schrift über die Reformation fol­genden Eintrag:

„Im nassauischen Kirchspiel Ferndorf sah der Pastor durch das zunehmende Laster des Alkoholmissbrauchs das An­sehen der lutherischen Kirche gefährdet, gerade gegenüber den Katholiken aus Westfalen: Fremde Leute aus Westfalen sprechen: Es ist nun das weihe Wasser in euren Kirchen abgestellt; jetzt weihet man sich am Sonntag mit gebranntem Wein.“ Die programmatische Kirchenzucht und viele Verbote konnten nur langfristig Än­derungen schaffen.

Es war wohl der von 1555 bis 1574 in Ferndorf amtierende Pfarrer Mag. Jacob Beer (Ursinus), der hier zitiert wird. Denn auch auf dem Visitationstag im August 1570 in Ferndorf klagte der Pastor,  „ daß viel in der Kirchen vnder der Predigt auß­ und einlaufen, draußen schwätzen oder in denen Wirtshäusern zechen... Solche Clage ruht vff Warheit und kann das ge­sambte Kispel dem Pfarrer bezeuegn, daß er solche Vntugen fleißig gerügt..."

Im Jahr 1578 wurde auf einer Synode in Dillenburg eine von dem reformierten Theologen Christoph Pezel verfasste Be­kenntnisschrift beschlossen, 1581 der Heidelberger Katechismus eingeführt. Wiederum ein Jahr später wurden Pres­byterien eingerichtet. Die Grafschaft Nassau war reformiert worden. Von 1576 bis 1621 waltete Pastor Jo­hann Georg Stoever seines Amtes als ers­ter evangelisch-reformierter Kirchspiel­pfarrer. Auch in den nachfolgenden Jah­ren musste die gräfliche Landesregie­rung durch Kirchenabkündigungen auf mancherlei Unsitten - selbst während und nach der Predigt - vorgehen.

Auf einer Kirchenrechnung von 1592 beschreibt Pastor Stoever auf originelle Weise die Zustände Ende des 16. Jahr­hunderts: „Das Volch ist dermalen so vngeschliffen, daß es oft gefährlich ist, ihm zu trauen. Solltestu diesen trügeri­schen glauben können, wahn du auff sei­ner Zunge schwartze Haare oder in seiner flachen Handt Borsten erblickest.“

Von Stoever ist ebenfalls folgender Ausspruch überliefert:
„Frommen und treuen Predigern und Dienern Gottes ist jedermann Feind, da­rum:

1. daß sie einem Herrn dienen, den nie­mand sieht,
2. daß sie von solchen Dingen reden und predigen, die niemand glaubt,
3. daß sie die Sünden strafen, die jeder­mann gern tut,
4. daß sie selig reden jeden, wie er gern hätte, nicht mögen wollen und können preisen.

Erhard Krämer