07.09.2012

Auswärts-Party im Maxipark

ASV Hamm - TuS Ferndorf 29:31 (13:15). Alles im Vorfeld hatte daraufhin gedeutet, dass für die Ferndorfer im ersten Auswärtsspiel wohl nicht so viel zu holen sein würde: Ein Gegner, der die letzte Saison auf Platz sechs beendet hatte und als besonders heimstark gilt, das erste Spiel vor fast 2000 Zuschauern in einer der großen Arenen, inkusive Einlauf-Lichtshow und Maskottchen - und vernichtende Quoten bei den Internet-Wettanbietern. Als Beispiel soll die Internetseite bet365.com dienen. Für zehn Euro auf einen Ferndorfer Sieg versprach einem die Internetseite, 200 Euro zurückzuzahlen. Der eine oder andere dürfte sich geärgert haben, nicht gesetzt zu haben.

Denn von Respekt oder Ehrfurcht war den Ferndorfern in Hamm nichts anzumerken, nach einer hochdramatischen Schlussphase sicherten sich die Ferndorfer ihre ersten beiden Auswärtspunkte und feierten ausgelassen mit den mitgereisten Fans der Ferndorfer Fanclubs. Passend übrigens zum Jubiläum: Die Ferndorfer Füchse bekamen genau zum 12-jährigen die zwei ersten Zweitliga-Punkte zu sehen. Doch der Reihe nach: Mit zwei Toren von Carsten johnen Starkes Spiel in Hamm: TuS-Kreisläufer Bennet Johnen Lange gingen die Gäste mit 2:0 in Führung. Hamm blieb gelassen. Unter Regie des israelischen Nationalspielers Chen Pomeranz, der 7/1 Treffer erzielte und somit nach zwei Spielen 20 Tore auf dem Konto hat, glich der ASV schnell wieder aus und setzte sich beim 9:5 erstmals deutlich ab. Ferndorf hatte im Vergleich zum Saisonauftakt seine Abwehr geändert. Der TuS spielte eine 3:2:1-Formation mit geändertem Personal. Ins Deckungszentrum rückte Heider Thomas, auf der vorgezogenen Position störte Alen Sijaric die Kreise des Hammer Rückraums. Dazu auf der rechten Seite Lange und Aust, auf der linken Seite Moritz Barkow und Mittelmann Simon Breuer, im Tor Max Hamers - so erwarteten die Ferndorfer die Angriffe des ASV. Der fand allerdings über die starken Kreisläufer (vor der Pause Vrany, nach der Pause Wiegers) immer wieder das Tor oder zumindest den Siebenmeterpunkt. Auch Rechtsaußen Hartmann bewies ein enormes Wurfrepertoire - Ferndorf kassierte viel Vermeidbares in der Startphase, zumal ASV-Torwart Felix Storbeck, seines Zeichens Nummer eins in der Junioren-Nationalmannschaft von Christian Schwarzer, die unmöglichsten Bälle parierte.

Wichtig für die Ferndorfer: Das Tempospiel, das beim Auftakt gegen Bietigheim noch auf sich warten ließ, kehrt offenbar allmählich zurück. So egalisierten Hilger und Aust mit schnellen Toren, bevor der starke Bennet Johnen mit einem Doppelpack die 15:13-Pausenführung der Ferndorfer markierte. Johnen und Barkow teilten sich die Zeit am Kreis, beide präsentierten sich in starker Verfassung und stellten die Abwehr der Gastgeber vor Probleme. Nicht durchgängig war das bei Mittelmann Simon Breuer der Fall, der ungewohnt früh von Trainer Caclav Dincic einige Minuten zum Sortieren durch Julian Schneider ersetzt wurde. Apropos ersetzen: Durch die zurückgekehrten Kräfte Johnen und Mirza Sijaric und das verstärkte Einbauen von Tim Hilger im Angriff hatte der TuS wesentlich besser Möglichkeiten, Pausen für die einzelnen Spieler einzuräumen. Das sollte sich bezahlt machen. Denn nach der Pause schien es zunächst zu laufen wie beim Heimauftakt gegen Bietigheim. Die Ferndorfer Führung hielt bis zum 19:19, dann sorgten Glanztaten von Storbeck und viele bittere Gegentreffer (unter anderem ein cleverer Unterzahl-Gegenstoß durch Pomeranz) für die Wende. Beim 26:22 (47.) hatte Hamm wieder alle Trümpfe in der Hand. "Wir haben uns ein Blackout erlaubt, das darf uns einfach nicht passieren", hatte Caslav Dincic nach dem Hemspiel gegen Bietigheim gesagt. Und das Blackout ersparten die Ferndorfer sich dieses Mal. Es war vielmehr der ASV, der mit einem Mal ins Wackeln geriet. Die Ballverluste der Gastgeber nutzten die Ferndorfer, um sich von 28:26 auf 28:28 zurück zu kämpfen. Als die Schiedsrichter zwei Minuten vor Abpfiff dann noch eine Zeitstrafe gegen Andreas Simon verhängten, waren die Hausherren mental endgültig aus dem Spiel. Ausgerechnet Breuer, der bis dahin oft im Abschluss gescheitert war, erzielte mit einem beherzten Eins gegen eins das 30:29. In den letzten Sekunden wurde es hektisch: Hamm nahm den Torhüter für einen sechsten Feldspieler heraus, verlor aber vorne den Ball. Ferndorf wollte nicht überhastet aufs Tor werfen, Simon Breuer prellte an der rechten Seitenlinie entlang - und verlor den Ball. Doch Heider Thomas schnappte sich kurz vor Torwart Storbeck den Ball und staubte zum 31:29-Endstand ab. Die im Fanbus mitgereisten Fans skandierten "Auswärtssieg" und änderten ihr Liedgut. Eine Auswahl aus den Songs auf der Rückfahrt: "Wir fahren weit, wir trinken viel, und wir gewinnen (Hinfahrt: verlieren) jedes Spiel", "Eine neue Liga ist wie ein neues Leben" und natürlich immer wieder ein lautes "Auswärtssieg". Bleibt abzuwarten, was die Wettquoten im Internet kommendes Wochenende machen...

Statistik:

TuS: Hamers, Rottschäfer - Aust (7/1), Barkow, Johnen, Lange, A. Sijaric (je 4), Thomas (3), Breuer (3/1), Hilger (2), M. Sijaric, J. Schneider, L. Schneider.

ASV: Storbeck - Pomeranz (7/1), Struck (6), Simon (5/3), Hartmann (5), Wiegers (2), Macke, Paul, Orlowski, Vrany (je 1), Huesmann, Schneider.

Stimmen:
Caslav Dincic (TuS Ferndorf): "Wir haben schon letzte Woche Lehrgeld bezahlt, heute haben auch wieder 40 Minuten gut Handball gespielt und sind dann in Rückstand geraten. Heute hat die Mannschaft aber ab der 45. Minute weiter gekämpft, letzte Woche war das Gegenteil der Fall. Ich habe ein gutes Spiel meiner Mannschaft gesehen und denke, dass wir mindestens einen Punkt verdient haben."

Kay Rothenpieler (Trainer ASV Hamm): "Letztendlich war das heute verdient, Ferndorf hat bis zum Ende an sich geglaubt. Wir haben zu viele Fehler in der Schlussphase gemacht, dann kann man nicht gewinnen."