02.09.2012

TuS Ferndorf zahlt bei Zweitliga-Premiere Lehrgeld

HammersMax Hammers hält hier von SG-Akteur Christian Schäfer einen Siebenmeter. Den Nachwurf von Schäfer pariert er auch noch. Fotos (3): Klaus DerfurtDer TuS Ferndorf hat seine erste Saison in der zweiten Bundesliga mit einer 24:33 (15:13)-Heimniederlage beginnen müssen. Gegen die SG BBM Bietigheim hatte der TuS bis zur 20:17-Führung (38.) positiv überrascht, brach im letzten Drittel der Partie aber ein.

„40 Minuten guter Handball reichen nicht, die breitere Bank war der Unterschied“, bilanzierte Ferndorfs Torwart Kai Rottschäfer treffend nach dem Spiel. Auch Gästetrainer Jochen Zürn sprach von „40 Minuten harter Arbeit“ für sein Team. Das Problem an diesem Lob: Ein Spiel dauert nun mal 60 Minuten. Und die konnten die Ferndorfer bei ihrem Debüt nicht über volle Distanz auf gleichem Level spielen.

In der proppevollen Halle in der „Stählerwiese“ konnte man die 10 (!) Bietigheimer Fans erst nach dem Schlusspfiff hören – denn der befürchtete durch hohe Rückstände hervorgerufene „Käseglocken-Effekt“ blieb aus. Als Ferndorfs Carsten Lange in der 59. Minute zum 23:31 traf, stand die Tribüne bereits, um ihre Mannschaft klatschend bis zum Schlusspfiff zu begleiten. Verdient hatten die Ferndorfer, bei denen Dennis Aust als neuer Kapitän auf das Feld führte, sich das mit einer couragierten Leistung insbesondere vor der Pause.

Nach anfänglichem 2:4-Rückstand waren die Gastgeber, bei denen Kai Rottschäfer in den ersten 30 Minuten tollen Rückhalt bot, mittendrin statt nur dabei. Im Angriff trafen Heider Thomas und Carsten Lange, am Kreis tankte sich mehrmals Moritz Barkow durch: Die von Simon Breuer gesteuerte Ferndorfer Offensive funktionierte. Und spätestens, als der eingewechselte Jungspund Lucas Schneider mit einem energischen Antritt im Gegenstoß den 15:13-Pausenstand erzielte, war die Halle endgültig euphorisiert.CaslavBei dieser Auszeit wirft Caslav Dincic noch einmal alles in die Waagschale. Seine Spieler höten gebannt zu.

Die Bietigheimer reagierten nach der Pause im Stile einer Spitzenmannschaft: Zürn stellte die Abwehr um Chef Thorsten Salzer auf 5:1-Deckung mit Sonderbewachung gegen Breuer um. Zwar musste Zürn nach 38 Minuten die Grüne Auszeitkarte nehmen, weil Ferndorf zunächst mit Schwung aus der Kabine kam und drei Treffer in Führung lag; aber Zürns Spieler schalteten nun zunehmend in den „Beton-Modus“. Und wenn ein Ferndorfer trotzdem noch den Weg zum Tor fand, stand da Milos Hacko. Der ehemalige Wetzlarer hatte vor der Pause schon seine Torwart-Qualitäten offenbart, für die müder werdenden Stammkräfte der Hausherren wurde er nun zur kaum überwindbaren Hürde. Denn: Während Bietigheim vor der Pause munter durchgewechselt hatte, musste Dincic auf seine ersten sieben, acht Feldspieler bauen – zu groß ist aktuell noch die Leistungsdifferenz im Kader.

Dieser konditionelle Vorteil machte sich mit zunehmender Spieldauer bemerkbar. Das 20:17 sollte das Ende der Ferndorfer Vorherrschaft gewesen sein, Ex-Nationalspieler Timo Salzer läutete mit seinem ersten Treffer zum 20:18 den „Machtwechsel in der Stählerwiese“ ein. Als Salzer vier Minuten später mit einem tollen Pass Kreisläufer Heuberger bediente und der eiskalt verwandelte, stand ein 20:22 auf der Anzeigetafel – Bietigheim hatte das Spiel gedreht und baute diese Führung nun gnadenlos aus.

Dincic_enttuschtCaslav Dinci verlässt enttäuscht die Halle und ist auf dem Weg in die Kabine.„Das war verdient, auch in der Höhe. Wir haben noch nicht gelernt, auf Ergebnis zu spielen“, kommentierte TuS-Trainer Caslav Dincic die nun folgende Phase, die von Ferndorfer Fehlern und Bietigheimer Bestrafungen gekennzeichnet war. Die schnellen Angriffe der Gäste nutzten die Außenspieler Pascal Durak und Andre Lohrbach, um mit Präzision und Variantenreichtum für eine am Ende doch noch deutliche „Packung“ zu sorgen. Mut kann Ferndorf trotzdem schöpfen: Nicht jede Mannschaft in Liga zwei hat eine solche Bank wie Bietigheim. Und mehr als „Klassenkampf“ ist in der aktuellen Saison wohl auch einfach nicht realistisch. (ms)

 

TuS Ferndorf - SG BBM Bietigheim 24:33 (15:13).

Ferndorf: Rottschäfer (9 Paraden), Hamers (4 Paraden) – Lange (7), Thomas (6), Aust (4/1), Barkow (3), Breuer (2/2), J. Schneider, L. Schneider (je 1), Bettig, Hilger, A. Sijaric, M. Sijaric (n.e.), Johnen (n.e.).

Bietigheim: Hacko (14 Paraden), Welz (n.e.) – Freudl (7), Schäfer (5/1), Heuberger, Lohrbach (je 4), Durak (3), Haller, Timo Salzer, Thorsten Salzer, Schulz (je 2), Coors, Bohnert, (je 1).

 

Stimmen zum Spiel:

Caslav Dincic (Trainer TuS Ferndorf): „Wir haben verdient verloren, auch in der Höhe. Dass es nicht 60 Minuten so gut laufen kann, habe ich mir gedacht. Als Simon Breuer in Manndeckung genommen wurde, war das Spiel in Kleingruppen gefragt. Dafür haben wir trainiert, wir haben es aber heute nicht geschafft, das aufs Feld zu bringen. Bietigheim hat souverän gespielt. Als wir drei Tore hinten gelegen haben, haben wir dagegen den Faden verloren. Unsere Leistung heute hätte gegen starke Drittliga-Teams gereicht, gegen ein gutes Zweitliga-Team nicht.“

Jochen Zürn (Trainer SG BBM Bietigheim): „Ich bin stolz auf die Mannschaft. Wir wussten, dass wir auf einen euphorisierten, temporeichen Gegner treffen und haben fast 40 Minuten gebraucht, um Zugriff in der Abwehr zu finden. Dann haben wir unser Spiel gemacht, gute Abwehr und schnelles Umschalten, das zeichnet uns aus. Das war heute 40 Minuten harte Arbeit für uns, danke dafür. Uns sehe ich in dieser Saison im Bereich um Platz sieben.“

Dennis Aust (Kapitän TuS Ferndorf): „Wir haben in der ersten Hälfte das gespielt, was wir können und unser Spiel gemacht. Nach der Pause haben wir uns das Spiel vom Gegner aufdrücken lassen und waren zu behäbig.“

Kai Rottschäfer (Torwart TuS Ferndorf): „40 Minuten guter Handball reichen nicht, die breitere Bank war der Unterschied. Ein Dank an das Publikum für die tolle Unterstützung.“

Heider Thomas (Spieler TuS Ferndorf): „Die erste Hälfte war im Soll, wir haben hinten gut gestanden und Tempo gemacht. In der 2. Hälfte waren wir mit der Deckungsumstellung überfordert. Die Zuschauer waren großartig wir liegen mit zehn hinten und alle stehen auf und klatschen für uns.“