23.12.2014

Drogendealer muss zehneinhalb Jahre in Haft

Siegen. Urteil in Siegens größten Drogen-Prozess – einer der Angeklagten muss für zehneinhalb Jahre ins Gefängnis. Verteidiger kündigen Revision an.

Die drei Männer, die am 28. Februar als Hauptverdächtige bei einem der größten Drogenfunde in NRW festgenommen wurden, erhielten am Freitag hohe Freiheitsstrafen. Das Gericht habe „keine vernünftigen Zweifel“ an ihrer Schuld, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Münker. Tim B. soll wegen unerlaubten Handeltreibens für zehneinhalb Jahre ins Gefängnis. Für Florent C. und Gezim M. gab es sechs Jahre und drei Monate respektive sechs Jahre wegen Beihilfe. Die Begründung war mit rund dreieinhalb Stunden plus Pause eine der längsten Urteilsverkündungen in der Geschichte der 1. großen Siegener Strafkammer.

Wolfgang Münker erinnerte daran, dass die auf einem italienischen Lkw beschlagnahmten 2,5 Tonnen Marihuana einen Verkaufswert von rund 20 Millionen Euro hätten. Es gehe um 21,5 Millionen Konsumeinheiten. „Damit könnte jeder Einwohner von NRW einen Joint rauchen und es blieben noch vier Millionen übrig“, machte der Richter die Dimensionen deutlich. Zusätzlich fanden die Ermittler am 28. Februar in der Ferndorfer Lagerhalle noch rund elf Kilo Marihuana in zwei Reisetaschen in den Sozialräumen gefunden worden. Diese boten der Kammer mehrfach Gelegenheit, die Thesen der Verteidiger zurückzuweisen, die drei Männer seien nur zufällig in die Geschichte geraten. In einer der Taschen befand sich nämlich „dummerweise“ der von B. unterzeichnete Mietvertrag für die Halle. Er sei damit als Drogenhändler überführt.

Danach sei es sehr merkwürdig, wenn ausgerechnet bei ihm „zufällig“ ein solcher Riesentransport ankomme, von dem er nichts gewusst habe. Der 37-Jährige habe viele Jahre in England gelebt, sei ab Ende 2013 in Deutschland gewesen und habe nicht gearbeitet. „Er schwamm aber in Geld“, stellte der Richter fest. „Wo kam das her?“ Wer anders als organisierte Drogenhändler hätte ihn damit ausstatten sollen, fragte Münker. Nicht nachweisen könne die Kammer Tim B. aber eine Beteiligung an der Einfuhr oder auch eine gemeinsame Bandentätigkeit mit seinen Mittätern.

Die unbefristete Anmietung der Lagerhalle spreche dafür, dass weitere Transporte geplant gewesen seien. Niemand könne aber sagen, ob nicht Florent C. irgendwann die Nerven verloren hätte und Gezim M. vielleicht doch noch zu seiner Schwester nach England gereist wäre. Dass es für B. „nur“ zehn Jahre und sechs Monate und nicht die von Staatsanwalt Manfred Lischeck beantragten zwölf Jahre und drei Monate gab, erklärte der Richter mit der „nötigen Luft nach oben“, wenn doch noch einmal Hintermänner gefasst werden könnten. Florent C. (39) und Gezim M. (25) seien von Tim B. angeworben und in die Sache hineingezogen worden. Das wurde dem Haupttäter strafschärfend angerechnet, für die Gehilfen wurde es zum Milderungsgrund. Dennoch hatte die Kammer keinen Zweifel, dass die beiden eingeweiht waren. Auch hier kam Wolfgang Münker auf die beiden Taschen mit Marihuana zurück. Die Männer hätten von B. Zugang zu den Sozialräumen erhalten. B. wäre dumm gewesen, sie nicht von deren Inhalt zu unterrichten, sagte der Richter. Und damit sei für beide klar gewesen, auf was sie sich einließen.

Anfälliger für „Anwerbung“
Dass Gezim M. mit drei Monaten weniger bedacht wurde, begründete das Gericht mit dessen Lage. Der gerade aus Albanien nach Deutschland gekommene und praktisch mittellose Mann sei anfälliger für die Anwerbung gewesen, als der seit 2003 in Lennestadt lebende andere Gehilfe. Er habe aber auch eines jener Handys benutzt, die zu einem Paket mit zusammenhängenden Nummern gehörten, die offenbar von den Hintermännern stammten. Unter anderem habe M. mit einem „Onkel mütterlicherseits“ kommuniziert. Das bringe ihn ganz eindeutig „mit ins Boot!“ Die Verteidiger kündigten bereits Revision an.